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Channel: Seite 85 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Scheibes Glosse: Das große Schweigen – Männerabend

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Jeder hat so seine ganz eigene Methode, um den Sorgen des Alltags einmal für ein paar Stunden zu entrinnen. Meine ist – ich treff mich mit den Jungs. Wir pokern einmal im Monat zusammen, gehen fast wöchentlich ins Kino, besuchen das Spandauer Brauhaus oder machen einen Event daraus, zum Klettern, Golf spielen, Tontauben-schießen oder Kart-fahren zu gehen. Davon war ja schon oft hier im Heft zu lesen.

Wenn ich nach so einem Treffen nach Hause komme, werde ich von meiner Frau neugierig gefragt: „Was gibt es denn Neues von den Jungs?“

Ich gucke dann immer ratlos, hebe die Schultern, schaue Löcher in die Luft und stelle fest: „Gar nix.“
Das wird nicht akzeptiert. Es MUSS doch etwas Neues geben. Was machen Ingos Kinder, Karstens Arbeit, Franks Hund und Hoschis Frau?

Ich stottere dann weiter: „Ähh, keine Ahnung.“

Darauf höre ich dann: „Aber ihr wart doch eben vier Stunden lang zusammen. Ihr müsst doch über irgendetwas gesprochen haben. Was TUT ihr denn bei euren Treffen?“

Gute Frage. Beim Pokern ist es tatsächlich so: Man freut sich, nett beisammen zu sein, ein paar Bierchen zu schlürfen, auf ein gutes Blatt zu warten und – gemeinsam zu schweigen. Männer reden nicht gern. Schon gar nicht über Probleme, den Alltag, die Familie. Das tun sie doch schon auf der Arbeit und daheim. Bei den Kumpels gehört es zum gelebten Luxus mit dazu, den Output an unnötigen Wörtern auf ein Minimum zu reduzieren und die Stille zu genießen. Es ist so, als ob Männer nur eine begrenzte Anzahl an Wörtern pro Tag zur Verfügung haben. Ab und zu lohnt es sich, diesen Vorrat zu schonen.

Männer können stundenlang nebeneinander sitzen, keinen Muskel rühren, die Wand angucken, nichts sagen und dabei auch noch Spaß haben. Frauen würden nach zehn Minuten wahnsinnig werden und fragen: „Was denkst du gerade?“.

Wobei das Bild von den schweigenden Männen nicht ganz richtig ist. Zu einem schönen Männerabend gehören zwingend auch derbe Schoten und freundliche Beleidigungen mit dazu, über die kein weibliches Wesen lachen könnte. Sobald aber doch jemand davon anfängt, etwas Persönliches zu erzählen, kommt schnell die Retourkutsche: „Sind wir zum Schwätzen hier oder zum Poker spielen?“

Das ist ein ganz natürliches Verhalten. Bereits in der Steinzeit haben die Frauen gemeinsam Beeren gesammelt und dabei geschnattert, um soziale Bindungen aufzubauen. Die Männer waren auf der Jagd. Sie hockten nebeneinander im Unterholz, den Blick stoisch auf den grasenden Büffel vor ihnen gerichtet, immer in der Hoffnung, dass er noch ein kleines Stück näher kommt, um so in die Reichweite der handgeschnitzten Speere zu gelangen. Hier war damals schon jedes Wort eins zu viel. Der Satz „Du, was macht eigentlich deine Höhlenfrau so? Und was machen die Höhlenkinder?“ hätte in der Steinzeit sofort dafür gesorgt, dass der grasende Büffel das sprechende Gebüsch meidet und verängstigt davonspringt.

Und dieses tief in den männlichen Instinkten verankerte Gefühl der Zufriedenheit, schweigend mit dem Jagdkumpel im Busch zu sitzen und nichts tuend auf ein Ereignis zu warten, das steckt noch immer in uns. So gelingt es uns Männern, Spaß daran zu haben, gemeinsam ins Kino zu gehen, Fußball zu gucken oder eben Poker zu spielen. Statt auf den Büffel zu schauen, blicken wir nun eben auf die Kinoleinwand, den Fernseher oder das Pokerblatt. Am zutiefst beruhigenden Akt, gemeinsam auf etwas zu starren, hat sich aber nix geändert.

Letztens hat meine Frau einen meiner Kumpels beim Spazierengehen getroffen und gefragt, warum vom Pokerabend keine Informationen nach draußen dringen. Er sagte: „Es gibt so viel Schlimmes auf der Welt, da müssen wir nicht auch noch beim Pokern darüber reden. Ansonsten gilt: Was beim Männerevent gesprochen wird, bleibt auch auf dem Männerevent.“ (Carsten Scheibe)


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