Die Leipziger Buchmesse zieht jeden März aufs Neue viele tausend Leseratten aus allen Bundesländern wie magisch an. Die Besucher möchten vor Ort die Bestseller von morgen kennenlernen, Selfies mit berühmten Autoren machen oder einfach nur die nackte Essenz des gedruckten Wortes in den engen Gängen der Messe einatmen. Der Bus, der seit nunmehr 15 Jahren stets am Sonnabendmorgen des Buchmessen-Wochenendes vor der Kant-Schule hält, bringt aber keine überzeugten Bücherwürmer nach Leipzig.
An Bord gingen auch in diesem Jahr am 23. März einmal mehr um die 120 Schüler (und Ex-Schüler) aus der Region, die ein Hobby verbindet – sie sind Cosplayer.
Cosplayer, das sind extreme Freunde und Liebhaber der japanischen Manga-Comics (die man von hinten nach vorn liest), in denem ziemlich durchgeknallte Charaktere in telefonbuchdicken Werken die verrücktesten Abenteuer erleben. Werden die Mangas für das Fernsehen als Animationsfilm umgesetzt, so spricht man übrigens von einem Anime.
Cosplayer lieben es, sich in ihre Lieblingsfiguren zu verwandeln. Sie kaufen entsprechende Perücken und Kostüme in japanischen Online-Shops, schneidern sich einzelne Verkleidungen selbst, basteln sehr aufwändige Accessoires und scheuen auch vor der Verwendung farbiger Kontaktlinsen nicht zurück.
Längst ist die Leipziger Buchmesse zu einem beliebten Treffpunkt der Cosplayer aus ganz Deutschland geworden. Sie treffen sich in ihren Verkleidungen vor allem in der Halle, in der auch die Manga-Verlage ihre neuesten Werke anbieten. Und sind so immer auch eine ganz eigene Attraktion der Leipziger Buchmesse.
Organisiert wird die Reise der Falkenseer seit nunmehr 15 Jahren vom ASB-Ortsverband Nauen/Falkensee im Rahmen der ASB-Schulsozialarbeit an der Immanuel-Kant-Schule.
Demet (30) ist die Tochter vom ASB-Urgestein Ulf Hoffmeyer-Zlotnik. Sie lebt längst im britischen Oxford, reist aber noch immer gern wegen der Cosplayer-Fahrt zurück nach Falkensee. Sie leitete damals die allererste Manga-AG an der Kant-Schule. Und erinnert sich: „Ich wollte damals unbedingt zur Buchmesse. Zunächst waren wir nur zu zweit in Papas Auto unterwegs. Dann wurden es aber immer mehr Cosplayer, die mit nach Leipzig wollten. Mein Papa hat dann gesagt: Mieten wir uns eben einen Bus. Seitdem ist es ein wenig eskaliert.“
Erich Guist, Lehrer an der Kant-Schule, ist von Anfang an ebenfalls mit dabei. Er fährt mit, wenn die verkleideten Teenager und Twens mit dem Bus nach Leipzig aufbrechen. In Leipzig verbringen sie einen Tag auf der Messe, übernachten in einem Schullandheim, nehmen auch noch den Sonntag auf der Messe mit und sind dann abends (und rechtzeitig vor der Schule) wieder Zuhause. Für 88 Euro organisiert der ASB diesen Trip. Erich Guist: „Das Schöne für mich ist immer, dass wir mit so vielen Schülern und Heranwachsenden unterwegs sind – und es gibt keine Disziplinprobleme, wie man das sonst von jeder Klassenfahrt her kennt. Die Cosplayer, das ist ein ganz eigener Menschenschlag. Bei den Schülern ist auch das Soziale sehr stark ausgebildet, die sind ‚positiv durchgeknallt‘, so nenne ich das. Deswegen fördere ich das auch sehr gern. Auf der Messe bin ich aber in anderen Hallen unterwegs und schaue mir andere Stände an.“
Auch im 15. Jahr waren beide Busse wieder voll belegt – das Interesse lässt einfach nicht nach. Auffallend ist, dass auch viele Jungs mit an Bord waren. Und nicht alle kommen von der Kant-Schule. Das mit der Cosplay-Reise, das hat sich herumgesprochen bis nach Potsdam und nach Nauen. Und für viele Schüler ist die Reise zur Buchmesse selbst dann noch gesetzt, wenn sie die Schule längst verlassen haben.
Jessica Spiller (24) und Melissa Brüsch (20) sind extra frühmorgens um vier Uhr aufgestanden, um sich vorzubereiten – die Busfahrt beginnt morgens um halb acht. Jessica Spiller: „Mein Charakter ist die Violet Evergarden, sie spielt in einem Anime mit. Ich hab erst mich fertiggemacht und dann meine Freundin geschminkt. Wir sind in Potsdam zur Schule gegangen und fahren seit 2011 mit zur Buchmesse. Wir Cosplayer werden immer mehr.“
Darline Baatz (23) ist ebenfalls längst mit der Schule fertig – sie hat das Goethe-Gymnasium in Nauen besucht. Sie ist zum sechsten Mal mit dabei und trägt blutrote Kontaktlinsen: „Wir Cosplayer werden immer noch schräg angeguckt, aber das gehört wohl mit dazu. In Leipzig treffen wir viele Cosplayer aus anderen Orten. Gerade, wenn man die gleichen Figuren darstellt, kommt man schnell ins Gespräch. Der Trip nach Leipzig ist immer toll und ein Highlight des Jahres.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 158 (5/2019).
Der Beitrag 120 Cosplayer aus Falkensee & Umgebung: Auf zur Buchmesse erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.