Das ist eine brisante Aussage, die den Havelländern glatt die Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Der Jahresbericht 2018 der Deutschen Herzstiftung, der im Februar 2019 veröffentlicht wurde, sagt aus: Die Sterblichkeitsrate ist im Bundesvergleich in Brandenburg am höchsten, wenn es um den Herzinfarkt geht. Die Havelland Kliniken luden am 26. März zu einem Fachgespräch ein, um diese Aussage richtig einzusortieren.
PD Dr. med. Martin Stockburger, Chefarzt der Medizinischen Klinik in Nauen, Facharzt der Kardiologe und Hochschullehrer an der Charité: „Herzerkrankungen sind in Deutschland weiterhin die Todesursache Nummer eins – noch vor dem Krebs. Inzwischen achten wir alle mehr auf das Cholesterin, rauchen weniger und behalten den Blutdruck im Auge. All das sind Faktoren, die das Herzinfarktrisiko deutlich beeinflussen. Dafür nimmt allerdings das Übergewicht in Brandenburg immer mehr zu. Generell gilt aber: Heute hat man sehr gute Chancen, einen Herzinfarkt, so man ihn denn erleidet, auch zu überleben.“
Klar ist trotzdem: Brandenburg hat die rote Laterne, was die Sterblichkeit bei den Herzinfarktfällen anbelangt. Berlin liegt da deutlich besser im Rennen. Dr. Martin Stockburger: „Berlin ist aber auch deutlich jünger, wir haben in Brandenburg einen großen Anteil alter Menschen. Hinzu kommt, dass die Versorgungsdichte mit Fachärzten in Berlin besser ist. In Brandenburg kommt ein kardiologisch ausgebildeter Facharzt auf 28.135 Einwohner, da ist nur Thüringen schlechter ausgestattet – und Mecklenburg-Vorpommern liegt gleich auf. Im ganzen Havelland haben wir nur einen einzigen Facharzt für Kardiologie.“
Geht man den Zahlen auf den Grund, so gibt es zunächst Beruhigendes zu hören. Dr. Martin Stockburger: „Komme ich mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus, so liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ich das überlebe, bei über 90 Prozent – egal, in welchem Bundesland ich mich aufhalte. In Brandenburg sterben im Vergleich zu Berlin aber fast doppelt so viele Patienten prästationär am Herzinfarkt.“ Der Experte präsentiert eine Grafik, die aufzeigt, dass in Berlin 10,9 Prozent der Menschen mit einem Herzinfarkt vor dem Erreichen der Klink sterben, während es in Brandenburg 19,5 Prozent sind. Dr. Martin Stockburger: „Wir denken, dass die prästationäre Sterblichkeit das große Problem in Brandenburg ist.“
Im Havelland wurden die mitunter langen Wege vom Patienten ins Krankenhaus bereits deutlich optimiert. Dr. Martin Stockburger: „Das Problem sind nicht die Transportwege der Rettungskette, sondern das Nichterkennen der sich anbahnenden Katastrophe. Ein Herzinfarkt wird einfach nicht als solcher erkannt. Denn nicht immer äußert sich der Infarkt in den klassischen Symptomen mit Brustschmerzen oder Atemnot. Manchmal können auch Zahnschmerzen oder Bauchweh auf einen Herzinfarkt hinweisen. Bei Frauen sind die Symptome oft noch untypischer und leicht zu verkennen.“
Der Arzt macht deutlich: „Wichtig ist vor allem, dass der Herzinfarkt klar erkannt und über die Diagnose STEMI gemeldet wird. Das sorgt für schnelle Abläufe. Eine unsichere EKG-Diagnostik hingegen führt zu einer massiven Verzögerung in der Versorgung. Aus diesem Grund haben wir das QS-Notfall-Projekt gestartet, das 2017 begann, 36 Monate dauert und mit 1,5 Millionen Euro aus dem Investitionsfonds gefördert wird. Hier geht es darum, dass ein EKG des Patienten schon aus dem Rettungswagen heraus ins Krankenhaus übertragen wird, sodass ein Experte sofort eine klare Diagnose treffen kann. Ich kann das EKG notfalls sogar auf dem Handy empfangen und auswerten. Im Ernstfall steht das ganze Team schon bereit, wenn der Krankenwagen eintrifft. Wir schaffen es oft schon in einer Stunde vom Erstkontakt zum Patienten bis zur Öffnung verstopfter Gefäße im Krankenhaus mit unserem Herzkatheter. Da sind wir im Havelland Vorreiter mit diesem System.“
Ein Problem gibt es im Havelland allerdings noch bei der Übertragung der EKG-Daten aus dem Notfallwagen. Dr. Martin Stockburger: „Die Funklöcher! Sie treten auch an unerwarteten Stellen auf und machen uns manchmal noch echte Sorgen.“ (Text/Foto: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 158 (5/2019).
Der Beitrag Brandenburg hat die höchste Todeszahl bei Herzinfarkten! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.