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Channel: Seite 85 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Wenn Eichen in Falkensee fallen: Die Anwohner im Niederneuendorfer Weg demonstrieren!

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Der Niederneuendorfer Weg, am Stadtrand von Falkensee direkt am Wald gelegen, wird ausgebaut. Anderthalb Jahre haben die Ämter den Ausbau der Sandpiste zu einer asphaltierten Straße geplant, jetzt wird Ernst gemacht. Die schweren Baumaschinen sind bereits unterwegs, man sieht, dass vor Ort gearbeitet wird. An einer geschätzt 200 Jahren alten Eiche mitten im Kreuzungsbereich vom Niederneuendorfer Weg und der Mozartallee scheiden sich nun die Geister.

Am 8. August wurde über den Stadtticker auf der Homepage bekannt gegeben: „Im Rahmen des diesjährigen Anliegerstraßenbaues im Niederneuendorfer Weg muss eine weitere Eiche gefällt werden. Der Baum mit der Nummer 78 steht dicht an der geplanten Straße. Seine Wurzeln ragen erheblich in den Straßenkörper. Da es sich um standsicherheitsrelevante Wurzeln handelt, ist ein Einkürzen nicht möglich. Die Fällung erfolgt voraussichtlich noch in dieser Woche.“

Diese Fällung wollen die Anwohner auf gar keinen Fall hinnehmen. Sie sehen in dem alten Baum eine biologische Insel mit 600.000 Blättern und 1.200 Quadratmetern Blattfläche, die Feinstaub aus der Luft filtert, jeden Tag 18 Kilo Kohlendioxid bindet und zugleich 13 Kilo Sauerstoff produziert. Der Plan: Der Baum wird beschützt. Eine Taskforce aus Nachbarn harrt direkt vor dem Baum aus, um ihn so vor der Kettensäge zu schützen. Notfalls wolle man die Polizei rufen. Hambacher Forst im Havelland? Bis es zum Ernstfall kommt, werden Unterschriften gesammelt. Über 200 kamen an nur einem Tag zustande – allein aus der Nachbarschaft. Birgit Zart: „Ziel ist es, etwas Zeit zu gewinnen, um Alternativen zu prüfen.“

Christiane Kinzel: „58 Baumfällungen waren am Anfang geplant. Wir haben als Anwohner das Gefühl, es werden immer mehr. Die Stadt hat uns auch gesagt, dass die alten Bäume erhalten bleiben.“

Alexandra Neuenburg: „Wir bemängeln den Informationsfluss der Stadt zu uns Bürgern. Denn dass nun die uralte Eiche gefällt werden soll, das wurde von heute auf morgen verkündet, sozusagen in einer Nacht-und Nebel-Aktion. Wir befürchten, dass neben der Eiche auch noch weitere Bäume weichen müssen.“

Bei einer spontanen Versammlung am 13. August kamen über 20 Anlieger und Interessierte im Schatten der alten und gesunden Eiche zusammen. Darunter auch Juliane Kühnemund und Erika Paul von der Baumschutzgruppe Finkenkrug. Erika Paul: „Es ist leider unsere Erfahrung, dass die Bäume, die im Straßenbauplan stehen bleiben, kurzfristig dann doch über Nacht abgeholzt werden.“ Juliane Kühnemund: „Es ist leider kein Baumsachverständiger gehört worden.“

Die Anwohner, die inzwischen über eine eigene Whats-App-Gruppe ständig im Kontakt bleiben, haben nicht nur Angst um die eine Eiche. Im weiteren Verlauf des Niederneuendorfer Wegs stehen weitere uralte Eichen beiderseits der künftigen Straße – und ebenfalls äußerst nah am geplanten Asphaltband. Ob auch sie fallen müssen, wenn die Baumaschinen erst einmal an diesem Abschnitt angekommen sind?

Die Anwohner, die davon ausgehen, für den Straßenausbau mit jeweils um die 33.000 Euro belastet zu werden, befürchten es. Aus diesem Grund wurden auch diese Bäume schon jetzt mit Schildern markiert, auf denen zu lesen ist: „Hier stehe ich und will auch bleiben“. Oder: „Wir sind gesund, 200 Jahre alt, wollen leben. Bleibt weg von meinen Wurzeln.“

Die Kinder der Nachbarschaft wurden ebenfalls aufgerüttelt. Sie haben wütende Comics mit sterbenden Bäumen und kreischenden Motorsägen gemalt. Und Herzchen mit Sprüchen gebastelt. Der 11-jährige Max schreibt da: „Bitte lasst mich LEBEN!“ Nils (5) sagt: „Bäume sind Lebewesen.“ Und Emma (13) erinnert daran: „In Bäumen nisten Vögel.“

Christiane Kinzel: „Wir haben noch einmal im Tiefbauamt nachgefragt und die Antwort bekommen: Die Fällung wird nicht mehr zurückgenommen. Es gibt keine andere Lösung. Es tut ihnen Leid. Dabei gibt es Möglichkeiten, um die Bäume zu erhalten.“ Von einem Rasengitter oder einer teilweisen Schotterung ist die Rede.
Nicht nur das Wohl der Bäume treibt die Nachbarn um, sondern auch die zu erwartende Verkehrssituation. Christine Kinzel: „Wir befürchten, dass die neue Straße Verkehr anzieht. Zurzeit zählen wir etwa neun Fahrzeuge am Tag. Das werden bestimmt deutlich mehr Autos werden.“

Eine Nachbarin, die anonym bleiben möchte, sagt: „Das wird doch eine neue Rennstrecke – und eine Umgehung um Falkensee herum für alle, die von Schönwalde-Glien nach Berlin möchten – und umgekehrt. Das ist dann so etwas wie eine kleine Nordumfahrung.“

Bürgermeister Heiko Müller war am 13. August spontan dazu bereit, die Bürger im Anschluss an die Thomas-Fuhl-Veranstaltung „Gespräche auf der Platte“ zu treffen. Staatssekretärin Ines Jesse schloss sich an und brachte Ordnung in das Gespräch.

Heiko Müller: „Wir sind vor Ort bei der Planung der Straße sehr viele Kompromisse eingegangen, um dem Bürgerwunsch zu entsprechen. Das Flurstück, auf dem die spätere Straße liegt, ist 20 Meter breit. Normalerweise legt man die Straße in die Mitte des Flurstücks. Wir haben sie stattdessen schon sehr nahe an den Grundstücken platziert – mit allen damit einhergehenden Nachteilen -, um so viele Bäume wie möglich zu schützen. Außerdem fällt die Straße mit 4,75 Metern Breite sehr schmal aus. Eine Breite von 5,50 Metern ist normal. Das ist auch ein Kompromiss, um die Anliegerbeiträge zu senken. Wir verzichten dabei auf einen Gehweg, den wir eigentlich für sehr wichtig halten. Ein Gehweg ist immer auch Lebensqualität. Es wurden durchaus Kompromisse gemacht, um den Baum zu erhalten, obwohl er mitten im Kreuzungsbereich steht. Aber bei den Straßenarbeiten direkt vor dem Baum wurde nun einmal rea­lisiert, dass die für die Standfestigkeit des Baumes wichtigen Wurzeln viel zu flach in den Straßenraum hineinragen. Hier bauen wir auf den Sachverstand unserer Baufirmen und vom Grünflächenamt.“

Einem Baustopp zur Überprüfung von Alternativen beim Straßenbau erteilt Heiko Müller eine Abfuhr: „Bei einem Baustopp verlieren wir leicht einen Monat, dann schaffen wir den Straßenbau vielleicht nicht mehr vor dem Winter. Das würde die Kosten, die die Anwohner ja zu 90 Prozent tragen, in die Höhe treiben, und das kann ich nicht verantworten.“

Der Bürgermeister sieht auch keinen Grund für eine Rennstrecke, zumal der Niederneuendorfer Weg zurzeit blind im Wald endet: „Wenn wir den Niederneuendorfer Weg als Entlastungsstraße planen würden, dann geht das eh nicht mit der jetzt realisierten Straße, dann müssen wir da noch einmal ran. Ich gehe nicht davon aus, dass auf der späteren Straße mehr Autos als jetzt fahren werden, es sei denn, es werden noch weitere Grundstücke bebaut.“

Erika Paul von der Baumschutzgruppe wischte all diese Aussagen am Ende einfach beiseite: „Ich möchte Ihnen als Bürgermeister den Auftrag der Bürger mit auf den Weg geben, die Eiche zu erhalten – egal, wie.“ (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 162 (9/2019).

Der Beitrag Wenn Eichen in Falkensee fallen: Die Anwohner im Niederneuendorfer Weg demonstrieren! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.


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