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Channel: Seite 85 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Großes Interview: Dr. Mark Benecke liest am 19. März in der Falkenseer Stadthalle!

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Aller guten Dinge sind drei. Am 19. März besucht der bekannte Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke bereits zum dritten Mal Falkensee – und hält einen seiner beliebten Vorträge in der neuen Stadthalle. Dieses Mal geht es um „Blutspuren“. Bevor vor der großen Leinwand die Blutspritzer von echten Kriminalfällen diskutiert werden, bat Carsten Scheibe von „Unser Havelland“ den bekannten Schock-Wissenschaftler um ein Interview.

Seit dem letzten Besuch haben sich doch wieder einige neue Fragen angesammelt.

Der bekannte Kriminalbiologe und Spezialist für forensische Entomologie Dr. Mark Benecke wird als Experte weltweit um Hilfe gebeten, wenn es um eine ganz besondere Analyse von Tatorten geht. Spezialisiert ist der „Krabbeltier-Forensiker“ (benecke.com) vor allem auf Insekten auf Leichen, die Erforschung von Bakterienteppichen und die Auswertung von Blutspuren etwa bei einem Mordfall.

Seit vielen Jahren füllt „Dr. Made“ ganze Hallen. Mit seiner Freundin und Mitarbeiterin Ines Fischer reist Dr. Mark Benecke mit dem Zug durch ganz Deutschland, um einzigartig explizite Vorträge zu halten.

Der Wissenschaftler ist aber auch über sein Fachgebiet hinaus sehr interessiert an anderen Dingen. So tritt er bundesweit für die PARTEI an, interessiert sich für Vampire, ist von Kopf bis Fuß tätowiert, hält sich Fauchschaben als Haustiere und besucht gern Veranstaltungen der Gothic-Szene.

Du bist ja bekennender Donaldist. Was fasziniert dich am Charakter von Donald Duck besonders? Welche wissenschaftliche Frage über Entenhausen würdest du gern geklärt wissen?

Mark Benecke: „Donalds Charakter ist eher anstrengend, denn ich bin ein Gegner von Gefühlsaufwallungen und Größenwahn. Mir gefällt erstens, dass auch in einer abgeschlossenen Welt — für mich zählen nur die Berichte und Comics von Dr. Erika Fuchs und Carl Barks — wissenschaftliche Arbeit möglich ist, etwa zum Klima, der Stromstärke, der Radioaktivität und den Zylinderhüten in Entenhausen. Zweitens mag ich alle kauzig-vertieften Beschäftigungen. Beispielsweise hat der leider verstorbene Kartenmacher Jürgen Wollina alle jemals von Barks gezeichneten Bilder aus Entenhausen in eine schlüssige Landkarte gebracht, die es auch gedruckt zum Auffalten zu kaufen gibt.“

Das Wissen um unsere heimischen Tiere schwindet immer mehr. Nun veröffentlichst du auf deinem Facebook-Account dir zugeschickte Leser-Fotos mit unbekannten Spinnen und Insekten – und lädst andere Leser zum Bestimmen ein. Wie kam es dazu, wie viele Bilder wurden ungefähr schon veröffentlicht, liest du die Antworten mit und hast du dabei selbst schon etwas gelernt? Wird da mal ein Buch draus?

Mark Benecke: „Mein ‚Thierbuch‘ (‚Kat Menschiks und des Diplom-Biologen Doctor Rerum Medicinalium Mark Beneckes Illustrirtes Thierleben‘) gibt es ja schon, und ich durfte es im Jahr 2021 sogar im Geburtshaus von Alfred Brehm vorstellen. Ein Video dazu ist online!

Ich lerne sehr viel durch die Zusendungen, weil sich das Wetter und das Klima so stark ändern und sich viele Arten wie ein wunderschöner, blauer Hautflügler, die Holzbiene, innerhalb weniger Jahre ganz nach Norden durchgearbeitet haben, also unfassbar schnell. Auch Staubwanzen hatte ich zuvor noch nie gesehen. Und es ist ein schöner Kontakt zur größten Garten-Gemeinschaft auf Facebook entstanden, wo ich dann in einem extra anberaumten Vortrag berichten durfte, wo sich Insekten wohl fühlen (chaotische, wilde Gärten) und wo nicht (ordentlich zurechtgezupfte Gärten oder Stein’gärten‘). Ich freue mich mega über die ganzen Rätselchen und Beschreibungen, wann, warum und wo was insektig geschehen ist.“

Du setzt konsequent eine vegetarische Ernährung um und sagst, nur das könne unseren Planeten retten. Kannst du das einmal erklären? Und findet man da auf lange Sicht genug leckere Rezepte? Was ist das Lieblingsessen von euch beiden?

Mark Benecke: „Nein, ich setze eine rein pflanzliche Ernährung um. Vegetarisch nützt nichts, da dort ja noch Eier und Milch der ganzen geschundenen Wesen ‚erzeugt‘ und verbraucht werden. Wir brauchen viel mehr freie Landfäche, um die Nahrungsnetze wieder aufleben zu lassen — für Tierprodukte brauchst du aber das Dreifache an Land und Wasser. Rezepte gibt es Zehntausende, einfach googeln, da könnt Ihr Euch nicht mehr retten vor Leckereien. Ines mag gerne Pasten aller Art, aus Kichererbsen, Spinat, Mais, Bohnen oder was ihr gerade unter die Finger und meinen Industrie-Pürierstab kommt. Ich mache oft Kaiserschmarrn. Wir sind aber auch Pizza-, Sushi- und Nudelfans, außerdem lieben wir beide alles aus Kartoffeln. Ich bin zudem Botschafter der Tomate — bestes Lebensmittel der Welt: Salat, Paste, Sauce, Augenweide, ein tolles Gewächs.“

Du hast in der Corona-Zeit das Buch „Viren für Anfänger“ geschrieben. Viele Menschen verstehen nicht, was Viren überhaupt sind. Was sollte man hier unbedingt wissen?

Mark Benecke: „Viren können sich schnell verbreiten. Es gibt gute Gegenmittel.“

Welche Corona-Maßnahmen der Regierung sind deiner Meinung nach richtig, welche falsch? Welche Maßnahmen sollte man deiner Meinung nach ergreifen, um sich nicht anzustecken?

Mark Benecke: „Politisch passiert ja immer was Neues, je nach Lage. Ich finde FFP2-Masken super, die sind prima zu tragen — ich halte damit sogar Vorträge —, sie sind sehr dicht und schützen alle, also mich und die Umstehenden.“

Welche Corona-Maßnahmen hast du schon vorher beherzigt, welche wirst du auch nach der Pandemie beibehalten?

Mark Benecke: „Ich beherzige grundsätzlich alle Corona-Maßnahmen, da sie ja auch auf wissenschaftlichen Messungen beruhen.“

Was haben wir in der Corona-Pandemie versäumt? Meiner Meinung nach haben wir viel zu wenig Daten gesammelt.

Mark Benecke: „Ich fand den Probelauf für alle kommenden Pandemien, die Multiresistenzen und die sehr starken Klima-Änderungen gut. Im zweiten Jahr haben die Menschen geschnallt, dass es ernst ist und dass die Lage nicht durch Wünschen, Schreien oder Rumlabern weggeht und dass die Übersterblichkeit hoch ist.

Ich fand auch gut, dass die Verschwörungs-Schwurbler:innen auch endlich eingesehen haben, dass es wohl keine Weltverschwörung aller Staaten der Erde geben kann. Die politischen und wirtschaflichen Unterschiede würden wohl eher nicht zu einer weltweit gleichen Handhabe (also Impfungen in jedem Land der Welt) führen. Damit ist das schon mal vom Tisch, sehr angenehm.

Die Datensammlung war vorbildlich, ich habe — als derjenige, der sogar für Wissenschafts-Sender und natürlich unseren, größten allgemein verständlichen (!) Corona-Kanal Deutschlands (www.virusonline.de) — immer die neuesten Veröffentlichungen in normale Sprache ohne Fremdworte übersetzt hat, noch nie derart schnelle und gute Datensammlungen gesehen. Ich konnte zu jeder Frage eine Studie finden. So ist auch mein Viren-Buch entstanden — ohne Messdaten hätte ich keine Zeile geschrieben.“

Viele deiner Vorträge wurden wegen Corona abgesagt. Seid ihr auch ohne diese Einnahmen gut über die Runden gekommen? Wofür verwendest du Geld überhaupt? Euer Lebensstil, so man ihn aus Facebook-Fotos ableiten kann, wirkt immer sehr bodenständig und sparsam.

Mark Benecke: „Ines und ich sind — übrigens beide sehr gerne — in der Platte aufgewachsen und können mit sehr wenig Geld sehr gut umgehen. Unser Geld geben wir für Tour-Technik aus, die oft teuer ist, für Tierschutz-Projekte, und natürlich für die hohen Kosten für Mitarbeiterinnen und Labor. Bei fast allen meiner Fälle lege ich Zeit, das ist bei mir dasselbe wie Geld, drauf.“

Du kommst nun bereits zum dritten Mal nach Falkensee, um in der Stadthalle einen Vortrag zu halten. Dieses Mal geht es um „Blutspuren“. Das Blut für eure Spritzexperimente soll, so habe ich gehört, direkt von deinen Praktikanten kommen? Liegt diese Vorgehensweise darin begründet, dass das Blut ganz frisch sein muss?

Mark Benecke: „Genau. Es sind Studierende, keine Praktikantinnen, für die haben wir leider keine Zeit wegen dem vielen Rumgegurke. Neuerdings hat Tina, meine Mitarbeiterin, aber auch Spaß am Blut spenden gefunden. Wir hatten einen sehr umfangreichen Fall in Österreich, den wir im Labor nachgestellt haben, das hat ihr Spaß gemacht. Sie hat sogar das Opfer dargestellt, da wir neben Blut auch einen echten Körper brauchten.“

Ihr experimentiert sehr viel, auch an einem Tatort, und beantwortet so sehr viele Fragen, die sich sonst niemand stellt. Hat die „normale“ Polizei in einem Mordfall überhaupt Zeit für so etwas? Und hat das nicht auch böse Konsequenzen für einen Fall, weil Spuren deswegen nicht richtig interpretiert werden?

Mark Benecke: „In unserem Labor landen Fälle, die vom Tellerrand gefallen sind, das ist richtig.

Es liegt nicht immer an Zeit-Problemen, es können auch Zufälle sein. Ein richtig fieser Fall ging beispielsweise schief, weil der Landrat am Nachmittag des Falles Geburtstag hatte und alle dort hin mussten oder sollten. Die Frau, die verurteilt wurde, hat das deutsche ‚lebenslang‘ erhalten, der echte Täter gar nichts.

Wir sehen aber nur die schief gegangenen, angeblich langweiligen, ‚dummen‘, sinnlosen, ‚kinderleicht erklärbaren‘ und gegen den ‚gesunden‘ (ahem) Menschenverstand laufenden Fälle, so dass ein Vergleich mit der täglichen Polizei-Arbeit nicht möglich ist.

Die Polizei macht oft sehr coole und erstaunliche Sachen, von denen kaum jemand etwas erfährt, beispielsweise durch Massendaten-Auswertungen von Handys oder Befragungen von Personen. Beides könnte ich niemals gut durchführen. Auch bei der Untersuchung von Linien von menschlicher Haut, die sich auf Gegenstände wie Tassen oder sogar Leichen übertragen, gibt es tolle Ergebnisse. Und sehr viel mehr.“

Deine Fotos bei den Vorträgen sind manchmal sehr explizit. Mutest du den Zuschauern zu viel zu? Oder haben wir eine romantisierte falsche Vorstellung vom Tod und brauchen einen solchen Augenöffner?

Mark Benecke: „Ich habe auch Vorträge ganz ohne Leichen, etwa der ‚Mord im geschlossenen Raum‘. Ich nehme alles raus, was Menschen überfordert, beispielsweise zeige ich keine Leichen von Sexualdelikten, weil mir vor 25 Jahren mal jemand gesagt hat, dass das unangenehme Erinnerungen hervorrufen kann. Was ich jetzt zeige, ist also erprobt. Am Gruseligsten sind sicher nicht die Leichen oder die Fäulnis, sondern das, was Menschen als eine Art Verstoß gegen ihren Glauben an das Gute und die Gerechtigkeit ansehen. Beides, das Gute und die Gerechtigkeit, gibt es nicht — das erschüttert die Zuschauer:innen echt erkennbar am meisten.“

Wer sind eigentlich die MARKierten?

Mark Benecke: „Alle, die sich ein von mir gezeichnetes oder geschriebenes Autogramm oder ein Tierchen oder was sie gerade wollen, auftätowieren lassen, oft von Ines. Eine super Truppe, ich glaube, es sind schon fast tausend Menschen, die fleißig soziale Projekte von der Kinderkrebshilfe bis hin zu seelischen Schwierigkeiten mit Hingabe und Liebe unterstützen. Ich bin sehr, sehr stolz auf die MARKierten, die einen stillen, aber ebenso tollen Teil der Menschheit abbilden.“

Du setzt dich für Autisten ein. Was müssen wir tun, damit wir Autisten besser verstehen?

Mark Benecke: „Einfach ernst nehmen, was sie sagen, mehr ist es nicht.

Hier zwei Beispiele. Wenn jemand sagt: ‚Das Licht ist zu hell‘ — Okay, welches Licht wäre besser? Lass es uns ausprobieren. Oder: ‚Ich kann nicht gut hören, wenn andere essen‘ — Okay, dann reden wir nach dem Essen. Es ist oft sehr einfach, die größten Stress-Bedingungen zu ändern.

Schwieriger wird’s in der Schule, es hängt aber auch vom Schweregrad und der Ausprägung des Autismus ab. Unser häufigster Spruch: ‚Kennst du einen Autisten oder eine Autistin, dann kennst du einen Autisten oder eine Autistin‘. Man kann hier nichts verallgemeinern.

Da Autist:innen Redewendungen nicht verstehen oder bestenfalls auswendig lernen, kann das aber auch zu netten Aktionen führen. Auch dazu gibt’s ein Video von mir auf Youtube.

Die Superkraft von Autist:innen ist, dass sie Unsinn, den Menschen als ‚weiße, harmlose Lügen‘ oder ’soziale Angemessenheit‘ schönreden, sehr schnell erkennen.“

Du hast dich als Selbst-Tätowierter ziemlich aufgeregt, weil Anfang 2022 die bunte Tattoo-Farbe verboten wurde. Was sind deine Gründe dafür?

Mark Benecke: „Es gibt keine wissenschaftlichen Messungen, auf die sich das Verbot stützt. Mein Vortrag dazu beim Bundesinstitut für Risiko-Bewertung auf der großen Konferenz mit Teilnehmer:innen aus aller Welt ist in den Suchmaschinen als Video unter ‚BfR Benecke Tattoo 2022‘ zu finden.

Stimmt, da habe ich mich tatsächlich ausnahmsweise fast aufgeregt: Ich mag es nicht, wenn Regelungen ohne Datengrundlage durchgesetzt werden sollen. Argh! Erst die Daten, dann die Regelungen — nicht umgekehrt.“ (Text: CS / Fotos: CS von den Falkenseer Benecke-Vorträgen in 2019+20)

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 192 (3/2022).

Der Beitrag Großes Interview: Dr. Mark Benecke liest am 19. März in der Falkenseer Stadthalle! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).


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