„Kikeriki“ – Auf dem Dorf gibt es Traditionen, die wären in der Stadt undenkbar: Am 1. Mai luden so etwa die Mitglieder vom Kleintierzuchtverein D 459 Wansdorf zum 32. Wettkrähen auf ihr Vereinsgelände in der Wansdorfer Dorfstraße 35 ein. Hühnerbesitzer aus vielen Ortschaften der Region ließen ihren besten Hahn antreten: Eine Stunde lang wurde jeder gereckte Hals, jeder aufgerissene Schnabel und jedes vollständige Krähen akribisch protokolliert. Dann stand auch schon ein krähmeisterlicher Gewinner fest.
Nicht jede aus der Großstadt aufs Land gezogene Familie freut sich darüber, wenn sich die Nachbarn Hühner im Garten halten. Das Krähen der Hähne, was meistens bereits in den frühen Morgenstunden einsetzt, trägt durchaus dazu bei, die eigene Nachtruhe vorzeitig zu beenden.
Völlig normal ist das! So denken die, die mit Hahn und Hühnern aufgewachsen sind – und sich ihre Frühstückseier nebenan aus dem Stall holen und somit beim Einkaufen im Supermarkt auf den Griff zum teuren Eierkarton verzichten können.
In Wansdorf gibt es mit dem Kleintierzuchtverein D 459 noch einen traditionellen Verein mit eigenem Gelände in Sichtweite zur Wansdorfer Kirche. Lothar Voßberg gehört dem Verein an und erklärte am 1. Mai: „Wir sind noch 25 Vereinsmitglieder, aktive wie passive. Seit 32 Jahren lädt unser Verein zum Wettkrähen ein.“
25 Hähne waren gemeldet, 22 fanden sich am Ende in den nebeneinander im Freien aufgestellten Käfigen wieder. Ein Holzbrett beschränkte dabei die Sicht der Hähne auf ihre befiederten Nachbarn. Lothar Voßberg: „So hören sich die Hähne und stacheln sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Könnten sie sich auch noch sehen, würde aber sofort ein Streit ums Revier ausbrechen.“
Die Teilnahme war nicht auf Züchter oder auf reinrassige Hähne beschränkt. Jeder Besitzer eines Hahns mit ordentlich Stimme im Kehlsack hätte teilnehmen können – für 2,50 Euro Gebühr. Nur einen Impfnachweis musste man vorbringen. Zu gewinnen gab es Pokale und einen Futtersack. Lothar Voßberg: „Bei den deutlich angezogenen Preisen für Futter war der Sack deutlich wertvoller als der Pokal.“
In den Käfigen fanden sich viele Rassen wieder, darunter deutsche Reichshühner, Große Welsumer, Amroks, Wyandotten und Cocky-Hähne.
Eine echte Überraschung: Auch Nauens Bürgermeister Manuel Meger war mit der ganzen Familie vor Ort dabei: „Wir haben unseren Bernhard Junior mitgebracht, das ist eine weiße Appenzeller Spitzhaube. Wir haben Zuhause etwa 25 Hühner, die regelmäßig Eier legen. Über unseren Hahn schimpfen die Nachbarn, weil er eine falsche Uhrzeit im Kopf hat: Er kräht immer viel zu früh.“ Ehefrau Jana Meger weiß um die weiteren Nachteile der Hühnerzucht: „Gerade ziehen wir wieder 15 Küken in der Dusche groß. Auch unser Bernhard Junior ist hier großgeworden.“
Lutz Stubbe ist der Vorsitzende im Wansdorfer Verein: „Wir brauchen dringend Nachwuchs im Verein, wir werden immer älter. Wir wünschen uns sehr, dass die jungen Leute wieder Interesse an einer eigenen Hühnerzucht finden. Inzwischen merken wir aber, dass sich wieder mehr Familien eigene Hühner anschaffen. Viel Platz ist hier das A und O. Gern vermitteln wir auch Hühner. Hühnerhändler haben oft nur zwei bis drei Rassen, bei uns ist die Auswahl deutlich größer. Wir haben auch Hühner, die grüne oder braune Eier legen.“
Natürlich gibt es gerade im Speckgürtel von Berlin Probleme mit alteingesessenen und neu zugezogenen Bürgern. Lutz Stubbe: „Oft fehlt das gegenseitige Verständnis und den neuen Nachbarn sind die Hähne zu laut. Ich sage immer: Alle wollen gern Bioeier essen, aber bitte nicht aus der eigenen Nachbarschaft.“
Für die Zugezogenen ist es oft auch schwer zu verstehen, dass die Hühner auf dem Dorf „Haustiere mit kulinarischem Hintergrund“ sind: Sie landen durchaus schon mal im Kochtopf, wenn die Eierlegequote nachlässt.
Hahnenkrähwettbewerb: Nur ein volles Krähen zählt!
Kurz vor neun Uhr am 1. Mai war es endlich so weit. Die freiwilligen Zähler nahmen vor den Käfigen auf einem Stuhl Platz. Jede Zählkraft überwachte dabei vier Käfige und führte eine Strichliste – über ein volles Krähen der jeweils überwachten Hähne. Ein kurzes Krächzen reichte nicht aus.
Lothar Voßberg: „Die ganz jungen Hähne können oft noch gar nicht richtig krähen, da kommt nur ein kurzes Räuspern aus dem Schnabel. Das zählt nicht.“
Während die Hahnenschreie protokolliert wurden, gab es für die etwa 20 Besucher vor Ort Kaffee und Kuchen. Im Vereinshaus konnte man sich auch einen Brutkasten anschauen: Hier waren gerade erst junge Küken aus dem Ei geschlüpft.
Außerdem blieb noch Zeit für das eine oder andere Gespräch unter den Besuchern, die alle einen „Hühnerhintergrund“ aufwiesen. Barbara Wiechert kam so etwa aus einem Kleintierzüchterverein aus Tremmen. Auf das Mitbringen eines eigenen Hahnes hatte sie allerdings verzichtet: „Mein Hahn ist viel zu ruhig im Wesen, der ist krähfaul. Der ist nicht wie sein Vorgänger, der mich immer angegangen ist.“
Auch Claudia Maier aus Etzin konnte Geschichten erzählen: „Wir hatten einmal den Marder im Hühnerstall. Da konnte man richtig sehen, dass der Hahn auch dafür da ist, seine Hennen zu beschützen. Er hat sich vor die Hühner gestellt und ist auf den Marder losgegangen.“
Andreas Büge vom Rassegeflügelzuchtverein „Hoffnung 09“ aus Golm berichtete: „Ich kann immer wieder beobachten, dass sich die Krähen in den Hühnerstall schleichen, um hier gezielt Eier zu stehlen. Das glaubt man kaum.“
Nachdem die eine Stunde Wettbewerb vorbei war, musste Andreas Büge eine echte Enttäuschung hinnehmen: „Mein Hahn hat ja eine Stunde lang gar nichts gesagt. Nicht ein einziges Mal hat er gekräht.“
Der Wansdorfer Verein hatte bereits angekündigt, dass auch der Verlierer einen Sonderpreis erhält. Die Besucher hatten bereits während des Wettbewerbs auf einen neben den Käfigen aufgestellten Hackklotz samt Axt geschielt. Aber keine Sorge: Der Verlierer wurde nicht um einen Kopf kürzer gemacht – er bekam ebenfalls einen Sack Futter geschenkt. Vielleicht steckt ja genug Kraft im Korn, dass es im nächsten Jahr besser mit dem Krähen funktioniert.
Nach dem Auswerten der Strichlisten standen die Gewinner schnell fest. Maik Redmann holte sich bei den großen Hähnen mit 148 Krährufen den ersten Platz, bei den Zwerghühnern war es Klaus Tillak mit 131 Rufen.
Manuel Meger freute sich: Sein Bernhard Junior holte sich mit 141 Krährufen solide und mit großem Abstand den zweiten Platz bei den großen Hähnen: Dritter wurde der Hahn von Ulf Mohr mit 63 Krährufen.
Eddie, der Sohn von Manuel Meger, hatte bereits während des Wettbewerbs im Internet recherchiert: „Der Rekord im Hahnenkrähen liegt bei 158 Krährufen in der Stunde. Das hätte unser Bernhard auch fast geschafft.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 195 (6/2022).
Der Beitrag Wer gewinnt beim Kleintierzuchtverein D 459 Wansdorf? 22 Hähne krähten um die Wette! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).