Der ehemalige Truppenübungsplatz „Döberitz“ ist in großen Teilen längst zur „Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide“ geworden. Hier wird der bedrohte Lebensraum von zahlreichen seltenen Tieren und Pflanzen gezielt bewahrt. Am 10. Juni machte sich eine kleine Exkursionstruppe zu Fuß auf, um in ansonsten für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Biotopen der vom Aussterben bedrohten Rotbauchunke nachzuspüren.
Bei annähernd 30 Grad im Schatten, purer Sonne im Nacken und staubigen Wegen vor den Füßen fanden sich am 10. Juni über ein Dutzend Naturfreunde vor den Toren der Döberitzer Heide ein, um ausgestattet mit Wanderschuhen, Wasserflasche und Fernglas einer Einladung der „Heinz Sielmann Stiftung“ (www.sielmann-stiftung.de) zu folgen.
Der Biologe Dr. Hannes Petrischak als Leiter der Abteilung Naturschutz in der Stiftung und Jörg Fürstenow als Verantwortlicher für das ökologische Monitoring und die Landschaftspflege wollten allen Interessierten die besondere Chance einräumen, einmal der seltenen Rotbauchunke (Bombina bombina) nachzuforschen. Der kleine Froschlurch wird etwa fünf Zentimeter groß und weist auf der Bauchseite ein intensiv leuchtendes rotschwarzes Muster auf.
Dr. Hannes Petrischak: „Die Rotbauchunke ist inzwischen sehr selten geworden und steht auf der Roten Liste der bedrohten Tiere. Das liegt auch daran, dass ihre Lebensräume schwinden. Die Rotbauchunke braucht zur Fortpflanzung offene sonnenbeschienene Kleingewässer in weiten Wiesen – am besten in Überschwemmungsgebieten. In der Döberitzer Heide gibt es noch ein kleines Vorkommen der Rotbauchunke im Ferbitzer Bruch direkt neben Brandenburgs wertvollster Pfeiffengraswiese. Allerdings schwindet der Bestand auch hier, weil die letzten trockenen Jahre den Lebensraum deutlich verkleinert haben.“
Der Ferbitzer Bruch liegt in einem Bereich der „Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide“, der für die Öffentlichkeit gesperrt ist. Aus diesem Grund war die kleine wissenschaftliche Exkursion am 10. Juni schon etwas ganz Besonderes: Zu normalen Zeiten wäre der eingeschlagene Weg bereits nach wenigen Minuten Laufstrecke von einem verschlossenen Tor versperrt gewesen. Jörg Fürstenow, der seit über 30 Jahren vor Ort tätig ist und zu Sowjetzeiten noch den Panzern aus dem Weg springen musste, warnte: „Wir gehen durch munitionsbelastetes Gelände, das noch nicht beräumt wurde. Die Wege sollten deswegen nicht verlassen werden.“
Dr. Hannes Petrischak machte zunächst auf die weiten offenen Flächen mit kargem Bewuchs und der Heide aufmerksam: „Früher haben die Panzerbewegungen auf dem Truppenübungsplatz für eine Offenhaltung dieser Biotope gesorgt. Heute müssen wir uns selbst aktiv darum kümmern. Schafe und Ziegen halten den Bewuchs niedrig, in den feuchteren Regionen kommen Wasserbüffel zum Einsatz. Wir lassen regelmäßig Gehölze wie Birkenschösslinge und Ginster aus der Landschaft entnehmen, um so den hier vorherrschenden und sehr artenreichen Sandtrockenrasen zu erhalten. Die invasive Robinie stellt für uns leider ein echtes Problem dar, da sie sehr schnell in unsere Offenlandschaften hineinwächst und über eine Mikrobensymbiose Stickstoff im Boden anreichert, was einer natürlichen Düngung gleichkommt. So verändert sie den Boden und damit das Biotop.“
Auf dem Weg durch die Döberitzer Heide konnten die Naturliebhaber den extrem seltenen Steinschmätzer kennenlernen, der vom Aussterben bedroht ist: In ganz Deutschland gibt es nur noch 3.000 Brutpaare. Er brütet wie der Wiedehopf in Stein- und Totholzstapeln inmitten von insektenreichen Sandtrockenböden. Jörg Fürstenow: „Beim Steinschmätzer sind wir der Hot Spot in Brandenburg. Wir freuen uns über 25 Brutpaare, Tendenz steigend.“
Auch ein Neuntöter konnte bei der Wanderung erspäht werden. Er spießt seine Beute, darunter auch Eidechsen und Mäuse, auf Dornen und betreibt so eine Vorratshaltung. Jörg Fürstenow: „Früher dachte man, dass der Vogel genau neun Beutetiere sammeln muss, bevor er eins fressen darf. So kam der Name zustande.“
Unterwegs traf die Exkursionstruppe auch auf Sorraia-Pferde, die in der Döberitzer Heide leben und gerade Nachwuchs bekommen haben. Dr. Hannes Petrischak: „Der Dung der pflanzenfressenden Säugetiere ist sehr wichtig für die Artengemeinschaft. Allein bei einem Wisent wurden bis zu 30 Insektenarten im Dung nachgewiesen. Für alle Insektenfresser ist das eine wichtige Futterstelle.“
Der Biologe verwies auch auf die blaue Glockenblume, die in der Döberitzer Heide wächst: „Alleine acht Bienenarten ernähren sich ausschließlich vom Pollen der Glockenblume. Verschwindet die Blume, verschwinden auch die Bienen.“ Und er freute sich über die einzeln stehenden und sehr ausladenden Eichen: „Das sind meine Lieblingsbäume in der Döberitzer Heide. Es gibt tausende Insekten, die auf einem solchen Baum leben. Auch der kleine Eichenbockkäfer ist hier häufig anzutreffen.“
In der Nähe des Ferbitzer Bruchs durften die Naturfreunde auf einer saftigen grünen Wiese sogar sechs Orchideenarten nachspüren, die hier geschützt wachsen dürfen. Ganz egal, ob Sumpfknabenkraut oder Steifblättriges Knabenkraut – hier waren alle Botanikfreunde ganz aus dem Häuschen.
Und die Rotbauchunke? Die ließ ihr typisches „Huh-Huh“ nicht hören und war leider auch im Wasser nicht auszumachen. Dr. Hannes Petrischak: „Eigentlich ruft sie sehr zuverlässig bei ausreichend Sonne und Wärme und ist leicht auszumachen, weil sie ihren Körper im Wasser während des Rufens fast faustgroß aufbläst. Dieses Mal haben wir leider Pech gehabt.“
Das war am Ende aber doch kein großes Drama. Denn auf der vierstündigen Wanderung gab es einmal mehr unter fachkundiger Führung so viel Natur zu entdecken, dass die Eindrücke auch die kleine Enttäuschung über das Ausbleiben der Unke ausgleichen konnten. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 196 (7/2022).
Der Beitrag Ausflug in der Döberitzer Heide: Auf der Suche nach der Rotbauchunke! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).