Wenn Babies noch im Bauch der Mutter oder aber kurz nach der Geburt sterben, spricht man von Sternenkindern. Nadija Frank aus Nauen kümmert sich um die Sterneneltern, die sich plötzlich ganz alleingelassen fühlen. Für sie stellt sie ein ganz individuelles Sternenband zusammen. Das gibt den Eltern das starke Gefühl, trotzdem sichtbar zu sein. Und es hilft, gleichfalls Betroffene zu erkennen. Über 10.000 Sternenbänder hat die Nauenerin bereits verschickt.
Nadija Frank (35) wohnt mit ihrem Mann und den beiden Kindern Fiona und Tom in einem 2020 neu gebauten Haus in Nauen – gleich gegenüber vom Krankenhaus.
Hier hätte Nadija Frank, die ursprünglich aus Würzburg stammt und lange im Nikolaiviertel in Berlin gelebt hat, gern selbst gearbeitet. Als Hebamme. Ein Schicksalsschlag hat das verhindert: „Ich bin eigentlich gelernte Bankkauffrau, das wollte die Oma so. Mich hat der Beruf aber nie so richtig interessiert. Als ich mit Fiona schwanger war, habe ich gemerkt, wie mich das ganze Thema Geburt begeistert. Ich habe zig Fachbücher gekauft und wusste im Geburtsvorbereitungskurs mehr als die Vortragende. Ich hatte sogar schon ein Praktikum im Krankenhaus absolviert und war bereit für die Ausbildung zur Hebamme. Dann hat mein Jüngster – Tom – allerdings eine Immunkrankheit entwickelt, ein periodisches Fieber. Das hat dazu geführt, dass ich die Ausbildung leider abbrechen musste.“
Aber wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Nadija Frank: „Über den Begriff Sternenkinder war ich bereits in Fachbüchern gestolpert. Persönlich betroffen war ich, als eine liebe Freundin ihr ungeborenes Kind direkt auf meiner eigenen Hochzeit verloren hat. Da war ich selbst gerade im vierten Monat mit Fiona schwanger, das war 2017. Ich habe danach weitere Bücher zum Thema Sternenkinder gelesen und schließlich ein Video gesehen, in dem 20 Sterneneltern zu Wort gekommen sind. Die Hauptaussage der Eltern war, dass sie sich total alleine fühlen. Ich dachte, das darf doch nicht sein. Wenn man bedenkt, dass jede dritte Schwangerschaft in Deutschland mit einer Fehlgeburt endet, dann sind das doch unfassbar viele Betroffene. Es ist aber leider auch ein Tabuthema: Darüber redet man nicht. Ich fand es fies, dass sich die Eltern über den Schmerz hinaus auch noch alleine fühlen. So kam ich auf die Idee: Ein Erkennungszeichen wäre gut, so erkennen sich die Sterneneltern gegenseitig und drücken auch nach außen aus, dass sie Eltern von einem Engel sind.“
2018 hatte Nadija Frank den Film gesehen. Noch am gleichen Abend schrieb sie zwanzig Sternenmamis an, ob sie nicht vielleicht Interesse an einem eigenen Erkennungszeichen hätten. Das Feedback war eindeutig: Alle würden nur zu gern ein solches Erkennungszeichen tragen.
So wurde das Sternenband (www.sternenband.de) geboren. Nadija Frank: „Das ist inzwischen ein schwarzes Gummiband, das man um das Handgelenk trägt. Ein versilberter metallener Stern ist auf dem Band aufgefädelt. Er kennzeichnet das Sternenband. Für jedes Kind, das die Eltern gehen lassen mussten, wird eine farbige Glasperle mit aufgezogen. Eine gelbe Perle steht für einen Kindverlust im ersten Trimester. Eine grüne Kugel weist auf das zweite Trimester hin, eine rote auf das dritte Trimester. Eine graue Perle besagt, dass das Kind bereits außerhalb des Bauches gelebt hat. Blaue Perlen tragen die lebenden Geschwister, um den verstorbenen Geschwistern im Himmel zu gedenken.
Nadija Frank: „Ich habe die Sternenbänder zunächst nur auf Instagram vorgestellt, die Homepage kam erst in diesem Jahr neu hinzu. Die Nachfrage war aber trotzdem enorm. Seit 2018 habe ich bereits über 10.000 Sternenbänder verschickt – und das, obwohl ich mittendrin zwei Mal in Elternzeit war. Im Januar 2019 habe ich extra für die Sternenbänder ein Kleingewerbe angemeldet. Inzwischen verschicke ich über tausend Bänder im Monat. Jeden Abend sitze ich an unserem großen Tisch und mache neue Bänder und Briefe fertig.“
Das besondere Detail bei den Sternenbändern – sie kosten kein Geld. Nadija Frank: „Ich wünsche mir eine freiwillige Spende. Die Sterneneltern sollen mir per PayPal das bezahlen, was das Band ihnen wert ist. Mit diesen Geldern kann ich meine Kosten decken, mehr aber auch nicht. Ich möchte aber auch keinen festen Preis erheben, weil ich niemanden ausschließen möchte. Immerhin kann ich inzwischen auf etwa 50 Helferengel zählen, die mich seit kurzem unterstützen. Sie schneiden Bänder, beschriften die papiernen Sterne, die mit in den Briefumschlag mit dem Sternenband kommen, und stempeln auch die Briefe. Das nimmt mir viel Arbeit ab.“
Das Feedback auf die verschickten Sternenbänder ist enorm. Nadija Frank: „Ich bekomme sehr viele Danke-Mails. Die Sternenkinder-Eltern fühlen sich nun nicht mehr alleine, sondern als Teil eines Ganzen. Schon drei Mal habe ich davon gehört, dass sich betroffene Eltern über die Armbänder gegenseitig erkannt haben. Zwei Sterneneltern haben sich so im Zug kennengelernt. Dann haben sich in einer Kita eine Erzieherin und eine Mama über die Bänder erkannt. Und einmal habe ich davon gehört, dass in einem Drogeriemarkt eine Verkäuferin und eine Kundin sich gegenseitig auf ihre Bänder aufmerksam gemacht haben. Tatsächlich gibt es auch Väter, die ein Sternenband tragen, aber meist sind es doch die Mütter.“
Seit dem Juli 2021 gibt es auch einen Sterneneltern-Treff, in dem sich betroffene Eltern austauschen können. Nadija Frank: „Das Treffen findet immer an jedem letzten Sonntag im Monat um 19 Uhr hier in Nauen statt – in der Elternschule, die zum Krankenhaus gehört. Das ist eine offene Gruppe, in der meist so zehn Elternteile teilnehmen.“
Um die Allgemeinheit noch mehr auf die Sternenbänder aufmerksam zu machen, hat Nadija Frank dieses Jahr bei der Wahl zur Miss Germany mitgemacht: „Das Image der Wahl hat sich deutlich gewandelt. Sie suchen inzwischen authentische echte Frauen mit Charakter und einer Botschaft. Das war für mich eine tolle Plattform, um das Sternenband bekannter zu machen. Tatsächlich bin ich unter Tausenden von Frauen unter die Top-160 gekommen.“
Jetzt strebt die Nauenerin eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin an, um Sternenkindeltern auf dem Weg zur Heilung zu unterstützen. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 198 (9/2022).
Der Beitrag Erkennungszeichen für Sternenkind-Eltern: Nadija Frank aus Nauen hat über 10.000 Sternenbänder verschickt! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).