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Channel: Seite 85 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Interview in Dallgow-Döberitz mit Sebastian Fitzek & Dirk Eilert: Gesichter lesen

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Sebastian Fitzek aus Berlin ist Bestsellerautor. Seine Psychothriller werden regelmäßig verfilmt. In seinem neuesten Werk „MIMIK“ geht es um die Mimikresonanz, also um das Erkennen von nur ganz kurz und unwillkürlich gezeigten Gesichtsausdrücken. Beraten wurde der Autor dabei von Dirk Eilert aus Dallgow-Döberitz. Eilert gilt als führender Experte für das Fachgebiet der Körpersprache. Beide gehen nun zusammen auf Tournee – und laden zu einer „interaktiven Lese-Show“ ein.

Mitte Oktober hatten sich Sebastian Fitzek und Dirk Eilert in der Tanzschule Allround in Dallgow-Döberitz eingeschlossen, um gemeinsam für ihre anstehende Lese-Show in vielen deutschen Städten zu proben. Hier hatte „Unser Havelland“ die Gelegenheit zu einem exklusiven Interview.

 

Sebastian Fitzek (www.sebastianfitzek.de), 1971 in Berlin-Lichterfelde geboren, hat 2006 sein erstes Buch „Die Therapie“ veröffentlicht. Es folgten viele weitere Psychothriller wie etwa „Der Augensammler“ oder „Passagier 23“. Einige von ihnen wurden sogar verfilmt. „MIMIK“ ist sein neuestes Werk (www.fitzekmimik.de). Es geht um eine Mimikresonanz-Expertin, die den schwierigsten Auftrag überhaupt lösen muss – sie muss sich selbst „lesen“.

Wie kommt man zum Schreiben? Was war denn Ihre Initialzündung?
Sebastian Fitzek: „Jedes einzelne Mal, wenn ich ein gutes Buch gelesen habe, gab es bei mir so etwas wie eine Initialzündung. Das war ganz bestimmt zum ersten Mal bei ‚Die Unendliche Geschichte‘ von Michael Ende so. Ich habe mir immer die Frage gestellt: Hast du auch eine Geschichte in dir, die es wert wäre, zu Papier gebracht zu werden? Es hat aber sehr lange gedauert, bis der Motor endlich angesprungen ist. Im Jahr 2000 hatte ich den ersten Impuls für einen Thriller. Da hatte ich auch endlich genug Sitzfleisch, um das auch mal bis zum Ende durchzuziehen.“

Wie schreiben Sie? Ganz akribisch nach Exposé oder einfach drauflos?
Sebastian Fitzek: „Bei mir ist das immer so ein Mittelding. Ich habe am Anfang ein etwa zehn Seiten langes Exposé, das den groben Handlungsrahmen für den Roman vorgibt. Da werden auch die Figuren schon angelegt. Spätestens nach achtzig Seiten entwickeln die Figuren beim Schreiben aber regelrecht ein Eigenleben. Sie werden selbstständig. Von diesem Punkt an beobachte ich sie eigentlich nur noch. Dann brauche ich das Exposé nicht mehr in die Hand zu nehmen, weil sich das Buch komplett davon gelöst hat.“

Schreiben Sie unter Windows oder am Mac? Wie sichern Sie Ihr Werk?
Sebastian Fitzek: „Ich nutze Windows. Word legt ständig Sicherheitsversionen an und ich kann sogar von verschiedenen Rechnern aus auf diese Dateien zugreifen. Noch bis vor kurzem habe ich mir nach jeder neuen Fassung die aktuelle Buchdatei selbst per E-Mail zugeschickt. Das war meine ganz persönliche Sicherheitskopie.“

Warum schreiben Sie Psychothriller?
Sebastian Fitzek: „Das ist eine Frage, die man meinem Psychiater stellen müsste. Das ist ja keine bewusste Entscheidung für ein Genre, die ich da treffe. Als ich mein allererstes Buch geschrieben habe, haben mir erst die Verlage gesagt, dass es sich dabei um einen Psychothriller handelt. So stand es nämlich in den Ablehnungsschreiben. In den Schreiben haben sie mir gesagt, dass sie für Psychothriller in Deutschland leider keinen Markt sehen würden. Bis dahin wusste ich überhaupt gar nicht, dass ich Psychothriller schreibe. Das Genre selbst habe ich eigentlich erst durchs Schreiben kennengelernt. Aber ich suche mir das Genre nicht aus, es sucht sich mich aus.“

Als Vater: Können Sie es ertragen, wenn Kindern in Büchern oder Filmen etwas passiert?
Sebastian Fitzek: „Ich schreibe über relevante Themen und natürlich auch über alle Themen, die mich als Vater beschäftigen. Kinder sind die zentralen Figuren in jeder Familie und deswegen sind sie es oft auch in meinen Geschichten. Ich kann es eigentlich überhaupt nicht ertragen, wenn Kindern etwas geschieht. Aber ich schreibe in der Regel über die Realität und mildere sie sogar noch ab. Ich denke mir ja gewalttätige Handlungen gegen die Kinder nicht aus.

Ein Beispiel aus dem Leben: In der Berliner Rechtsmedizin habe ich einen Freund besucht, der dort arbeitet. Auf dem Weg zu ihm bin ich an einer Spielecke für kleine Kinder vorbeigelaufen. Da habe ich ihn gefragt: Sag mal, parkt ihr hier etwa eure eigenen Kinder, während ihr an den Leichen herumschneidet? Und er sagte: Nein, das ist nicht für unsere Kinder. Die Kinderspielecke gehört zur Gewaltschutzambulanz. In Berlin gibt es inzwischen so viele Verdachtsfälle auf Misshandlung, dass Kinder dort quasi geparkt werden müssen, bevor sie untersucht werden, ob ihnen Gewalt angetan wurde oder ob es sich doch nur um einen Unfall handelt. Das sind Momente, die mich als Familienvater nachhaltig bewegen. Das sind dann eben auch die Szenen, die ich in meinen Büchern aufgreife. Einfach, weil sie relevant sind. Missbrauch und Misshandlung sind einfach relevante Delikte.“

Wer darf ein neues Buch zuerst lesen?
Sebastian Fitzek: „Meine Frau Linda, dicht gefolgt von meinem Literaturagenten Roman Hocke und meinen beiden Lektorinnen im Droemer-Verlag.“

Wie oft lesen Sie ein neues Buch noch einmal Korrektur, bis Sie am Ende sagen: Ich bin fertig?
Sebastian Fitzek: „Das Schreiben von einem neuen Buch dauert etwa drei bis vier Monate. Es kann aber noch einmal sechs bis sieben Monate dauern, bis es tatsächlich fertig ist. Der Prozess des Überarbeitens dauert demnach länger als der des Schreibens. Man geht immer wieder an das Buch heran, auch mit Hilfe der Lektoren. Gute Lektoren zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht verlangen, dass etwas umgeschrieben wird. Stattdessen stellen sie einfach nur Fragen. Etwa: Wieso spielt dieses Buch eigentlich in Süddeutschland? Oft habe ich eine Antwort auf eine solche Frage. Habe ich keine, ist das vielleicht ein Indiz dafür, dass ich mich noch einmal intensiver mit der Thematik beschäftigen sollte.“

Gibt es im Rückblick ein Buch, das Sie gern umschreiben würden, und eins, das so gut ist, dass Sie denken, so gut werde ich nie wieder?
Sebastian Fitzek: „Ich würde jedes Buch noch einmal umschreiben. So ein Buch ist nie fertig und immer nur eine Momentaufnahme. Je älter man wird und je mehr Lebenserfahrung man hat, umso mehr denkt man sich an bestimmten Stellen: Ach, das hätte ich anders machen können. Dann bin ich aber zu faul dafür, das alte Buch umzuschreiben. Stattdessen versuche ich, es beim nächsten Buch besser zu machen. Es gibt deswegen auch kein Buch, bei dem ich denke, da war ich besser als heute. Wenn ich dieses Gefühl hätte, müsste ich sofort aufhören zu schreiben.“

Was war toll an den Verfilmungen? Und haben Sie gelitten, wenn Szenen umgeschrieben werden mussten?
Sebastian Fitzek: „Toll ist, dass ich so in die Köpfe meiner Leser hineinschauen kann. Auf einmal sehe ich, wie sich die Ausstattung ein bestimmtes Zimmer vorstellt. Wie sich der Regisseur in die Szene hineindenkt. Oder wie die Casting-Agentur die Figuren sieht. Auf einmal merke ich, was für Bilder ich in die Köpfe der Menschen pflanze. Das ist für mich ein wahnsinnig interessanter Prozess. Zum Thema Leiden: Das ist vergleichbar damit, wenn das eigene Kind erwachsen wird und auf eine Klassenfahrt geht. Man ist plötzlich nicht mehr Herr der Lage, sondern nur noch Beobachter. Ein Buch plötzlich ziehen zu lassen, das ist nicht einfach.“

Sie haben Lesungen z.B. in einem Bestattungsinstitut und in einer Zahnarztpraxis durchgeführt. Für das Buch „Playlist“ haben Sie sich Songs von Beth Ditto, Silbermond und Rea Garvey schreiben lassen. Sie experimentieren gern?
Sebastian Fitzek: „Eher ist es das: Ich möchte mich nicht wiederholen. Ich möchte die Zeit nutzen, um nicht den x-ten Aufguss einer Idee zu machen, die es schon hundert Mal gab, sondern stattdessen lieber überlegen: Was würde mir persönlich Spaß machen? Was macht mir auf einer Lesung Spaß? Deswegen lese ich auf einer Lesung auch relativ wenig, sondern erlaube den Zuhörern einen Blick hinter die Kulissen. Dabei werden viele Fragen beantwortet, die Sie auch gerade stellen. Das interessiert die Leute eben deutlich mehr, als einfach nur aus einem Buch vorgelesen zu bekommen. Das ist letztlich die Kernfrage, die ich mir auch beim Schreiben immer wieder stelle: Interessiert mich das Thema selbst? Würde ich so ein Buch selbst gern lesen wollen? Und dann drücke ich mir die Daumen, dass ich nicht der einzige bin, der so denkt.“

Sammeln Sie eigentlich alle Ihre Buchausgaben im Hardcover und im Taschenbuch – auch aus anderen Ländern?
Sebastian Fitzek: „Ich hoffe, dass ich alle Ausgaben habe. Aus den anderen Ländern Bücher zu bekommen, ist manchmal etwas schwierig, weil man nicht immer bemustert wird. Ich ärgere mich selbst, dass ich von meinem ersten Buch ‚Die Therapie‘ die erste Auflage nicht habe. Hin und wieder schaue ich beim Signieren, ob es die erste Auflage ist, und dann würde ich dieses Buch am liebsten gleich klauen.“

MIMIK ist gerade erschienen. Hat Sie der Mimik-Experte Dirk Eilert zum Mimikresonanz-Thema animiert?
Sebastian Fitzek: „Definitiv hat mich Dirk Eilert animiert. Wir haben uns 2015 in einer Fernsehsendung beim rbb kennengelernt. Hier sollten die Gäste in einer Gameshow einen fiktiven Kriminalfall lösen, indem wir Verdächtige verhören, die aber natürlich nur Schauspieler waren. Dirk Eilert war auch da. Er hat uns als Experte echte Tipps aus der Praxis gegeben und uns gesagt, worauf man im Verhör achten muss. Er meinte, das Mimikresonanz-Thema wäre doch auch für einen Thriller sehr spannend. Ich habe das für mich erst einmal abgelehnt, weil ich dachte, die Fernsehserie ‚Lie to me‘ mit Tim Roth hat das eigentlich schon recht gut umgesetzt. Dem kann ich ja nichts Neues hinzufügen. Dann kam ich aber auf die Idee, dass es in einem Thriller nicht um eine Fremdanalyse, sondern um eine Selbstanalyse gehen könnte. In meinem Buch MIMIK dreht sich alles um eine Expertin auf dem Gebiet der Mimikresonanz, die sich selbst analysieren muss. Als ich diese Idee hatte, habe ich Dirk angerufen und ihn gefragt, ob er mir als Experte mit Rat und Tat zur Seite steht. Ohne ihn hätte ich das nicht schreiben können, weil mir dazu das wissenschaftliche Fundament fehlte.“

Jetzt gehen Sie zusammen auf Tournee: Am 2. Dezember sind Sie im Tempodrom in Berlin zu sehen. Was wird da passieren?
Sebastian Fitzek: „Das wird ein interaktiver Abend sein. Es geht natürlich um das Buch. Es wird eine Lese-Show geben. Die Zuschauer lernen aber auch, was es mit der Mimikresonanz auf sich hat. Worauf kann und sollte ich achten, bei anderen und auch bei mir selbst? Wir gehen davon aus, dass die Menschen ihre Umwelt und auch sich selbst nach der Show mit anderen Augen sehen werden.“

 

Dirk Eilert (45, www.eilert-akademie.de) ist Wirtschaftspsychologe und Entwickler der Mimikresonanz-Methode. Er wird nicht nur von Unternehmen und der Polizei gebucht, um Signale aus der Körpersprache zu übersetzen, sondern ist auch in den Medien ein gefragter Gast. Der gebürtige Spandauer hat 2001 in Berlin seine Eilert-Akademie für emotionale Intelligenz gegründet, die inzwischen bereits Zweigstellen in Paris, Zürich und Innsbruck unterhält. Gerade ist bei Droemer sein neues Buch „Was dein Gesicht verrät: Wie wir unsere Mimik und verborgene Körpersignale entschlüsseln“ erschienen.

Sie wohnen inzwischen mit Ihrer Familie in Dallgow-Döberitz?
Dirk Eilert: „Ja, ich wohne hier gleich um die Ecke von der Tanzschule Allround. Wir sind vor sechs Jahren nach Dallgow gezogen, weil es hier einfach gemütlicher und ländlicher ist als in Berlin. Gerade für die Kinder ist es sehr schön hier.“

Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit Mikroexpressionen im Gesicht und in der Folge mit der Mimikresonanz zu beschäftigen?
Dirk Eilert: „Ich habe ein sehr prägnantes Beispiel, das sehr gut erklärt, was mich dazu gebracht hat, die Mimikresonanz zu entwickeln. Das war im Jahr 2004. Damals habe ich als Traumatherapeut gearbeitet. Morgens kommt eine Frau in die Praxis, ich begrüße sie und frage: Wie geht es Ihnen denn heute? Und sie sagt: Mir geht es gut. Dabei zieht sie aber die Innenseiten der Augenbrauen so hoch, sodass sich Querfalten auf der Stirn bilden. Aber nicht auf der kompletten Stirn, sondern nur in der Mitte. Ich kannte mich damals noch nicht so gut mit den Mikroexpressionen im Gesicht aus, und dachte nur, irgendwas ist aber komisch. Also habe ich sie angesehen und sie gefragt: Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht? Und sie sagt: Ja. Und zieht die Augenbraueninnenseiten wieder hoch. Nun hatte ich mehr auf diese Mikroexpression geachtet und war mir sicher, dass ich sie mir nicht eingebildet habe, sondern dass sie echt war. Ich habe einen Moment gewartet und gesagt: Wissen Sie, ich höre, dass Sie sagen, dass es Ihnen gut geht. Was bei mir aber ankommt, ist, dass Sie tieftraurig sind. Sie ist plötzlich in Tränen ausgebrochen und sagte mir: Wissen Sie, ich habe mir gerade überlegt, mir das Leben zu nehmen. Das war ein Moment, der mich wahnsinnig schockiert und berührt hat. Was wäre passiert, wenn ich diesen Gesichtsausdruck nicht gesehen hätte?

Ich habe sofort damit angefangen, mich ganz, ganz intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Ich habe mich noch am gleichen Abend an den Computer gesetzt und Studiendatenbanken durchforstet, bis ich nachts um halb vier auf eine Studie aus dem Jahr 1966 gestoßen bin. In der Studie haben zwei Psychologen namens Ernest A. Haggard und Kenneth S. Isaacs genau die gleiche Entdeckung wie ich gemacht – ebenfalls per Zufall. Sie wollten eigentlich Gesten untersuchen und haben dabei die sogenannten Mikroexpressionen entdeckt. Das sind Gesichtsausdrücke, die nur ganz kurz zu sehen sind, und die in der Regel Gefühle anzeigen, die wir eigentlich verstecken möchten. Diese flüchtigen Gesichtsausdrücke können Ekel, Ärger, Angst, Traurigkeit, Freude, Überraschung und Verachtung anzeigen.“

Und die Menschen sind heute nicht mehr in der Lage dazu, diese flüchtigen Gesichtsausdrücke zu lesen?
Dirk Eilert: „Wir unterhalten dazu eine eigene Forschungsabteilung in der Eilert Akademie. Wir haben viele Studien gemacht, die auch durch andere Forscher bestätigt wurden. Dabei kam her­aus, dass die Empathiefähigkeit der Menschen seit der Jahrtausendwende sinkt. Wir können inzwischen nur noch jeden zweiten Gesichtsausdruck richtig interpretieren. Das bedeutet: Wir interpretieren jeden zweiten Gesichtsausdruck falsch. Gleichzeitig ist es heute normal, dass man sich unterhält und dabei mehr ins Handy schaut als in das Gesicht des Gegenübers. Das sind Entwicklungen, die mich persönlich sehr betroffen machen. Deswegen habe ich die Mimikresonanz entwickelt. Mimikresonanz ist ein Konzept, das uns hilft, die stille Sprache wieder besser zu lesen. Wir achten eben viel zu sehr auf die Worte und nicht mehr so sehr auf das, was noch nebenher passiert. Mimikresonanz ist ein Konzept, das sich an der Wissenschaft ausrichtet, um die stille Sprache von Mimik und Körper wieder besser zu verstehen. Es geht dabei nicht – und das denken immer viele – darum, anderen die Maske herunterzureißen und sie zu durchschauen. Es geht auch nicht zwingend darum, Lügen zu entdecken. Im Grunde geht es einfach um mehr Empathie.

Wir haben mit der ‚Deutschen Gesellschaft für Mimikresonanz‘ (www.mimikresonanz.org) einen gemeinnützigen Verein gegründet. Wir besuchen kostenfrei und ehrenamtlich Schulen und Kitas. Hier unterrichten wir Kinder, Erzieher und Lehrer, um ihnen den Zugang zur Emotionalen Intelligenz zu geben. Es ist mir wichtig, das Thema Empathie wieder in der Gesellschaft zu stärken. Dabei beherrschen wir das eigentlich von Geburt an. Kinder sind echte Gesichterleser. Wenn ein dreijähriges Kind auf dem Spielplatz hinfällt, wo guckt es sofort hin? Es guckt zur Mama. Und am Gesichtsausdruck der Mama sieht das Kind, ob der eigene Sturz schlimm war oder nicht. Wir wurden alle mit der Fähigkeit zur Mimikresonanz geboren. Dann kommen uns aber der Spracherwerb, übermäßiger Medienkonsum und Handyspielereien in die Quere – und die Empathie nimmt ab. Was das Mimikresonanz-Training also eigentlich tut: Es reaktiviert die Fähigkeit dafür. Es lässt uns erinnern, was wir alle schon einmal wussten.“

Wenn Sie unterwegs sind, analysieren Sie die Leute automatisch?
Dirk Eilert: „Na klar, deswegen sagt Sebastian Fitzek auch immer, dass er nur mit mir essen geht, wenn wir ins Dunkelrestaurant gehen, wo ich ihn nicht sehen kann. Ich kann das Analysieren nicht abschalten, ich mache ja den ganzen Tag nichts anderes. Ich scanne also permanent, welche Gefühle im Raum sind. Ich möchte das auch gar nicht abschalten. Das wäre ja so, als würde ich meine Empathie ausschalten. Die wichtigste Empathie ist übrigens die, die uns selbst gilt. Den Begriff dafür kennt kaum jemand, da geht es um die Impathie. Das ist die Selbsteinfühlung. Das ist die wichtigste Beziehung, die wir haben.“

Sie reden von acht Kanälen, die Sie auslesen können. Welche sind das?
Dirk Eilert: „Das sind die ‚Big Eight‘ der Mimikresonanz. Es hat mich zwei Jahrzehnte gekostet, sie auszuarbeiten. Ich habe die Körpersprache in acht Kanäle unterteilt. Da geht es um die Mimik, die Kopfhaltung, die Gestik, das Fuß- und Beinverhalten, die Körperhaltung, die Stimme, die Psychophysiologie (unkontrollierbare Körpersignale wie Gänsehaut oder Schwitzen) und als letztes um das zwischenmenschliche Bewegungsverhalten. Beim Bewegungsverhalten analysieren wir, wie nah sich Personen sind, wie oft sie Augenkontakt haben und wie oft sie sich berühren.

Das ist sehr spannend. Ich habe so sieben Mal in Folge vorhergesagt, wer beim RTL-Bachelor gewinnt – und zwar schon in der ersten Folge. Beim letzten Mal habe ich sogar vorhergesagt, wer erste, zweite und dritte wird. Wichtig ist dabei: Eine Berührung im Gesicht zeigt immer eine besonders starke Bindung an.“ (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 200 (11/2022).

Der Beitrag Interview in Dallgow-Döberitz mit Sebastian Fitzek & Dirk Eilert: Gesichter lesen erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).


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