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Channel: Seite 85 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Kleines Theater Falkensee spielt Dantons Tod: Schwere dramaturgische Kost im Falkenseer Kulturhaus!

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Das „Kleine Theater Falkensee“ arbeitet seit 2010 mit dem Berliner Duo Sebastian Eggers und Sebastian Maihs vom Theater.Redux zusammen. Ziel ist es, sich auf zeitgemäße Weise mit klassischen Stoffen zu beschäftigen. Nach der langen Corona-Pause startete das Theater am 18. November in ihre neueste Spielzeit – und inszenierte „Dantons Tod“. Das zum Teil sehr experimentelle Stück setzte durchaus Vorwissen voraus.

„Dantons Tod“. Geschrieben wurde das Stück 1835 als Drama in vier Akten von Georg Büchner. Der Autor, der zum „Vormärz“ zählt, wurde nur 23 Jahre alt. „Dantons Tod“ galt lange Zeit als unspielbar. Erst 1902 fand die Uraufführung in Berlin statt.

Wer „Dantons Tod“ verstehen möchte, muss ein wenig Geschichtsunterricht über sich ergehen lassen. Das Stück spielt mitten in der Französischen Revolution. Das Volk hat den Adel entmachtet, die Guillotine sorgt für zahllose Enthauptungen und viele politische Gruppierungen streiten um die Macht. Wichtige Köpfe dieser Zeit sind zwei Vertreter der sogenannten Jakobiner, nämlich die beiden Revolutionsführer Robespierre und Danton. Während Danton sich dem Hedonismus hingibt und dem Kartenspiel und den Bordellbesuchen frönt, gilt Robespierre als der Tugendhafte, der mit der Hilfe der Blutherrschaft durch die Guillotine einen „tugendhaften Staat“ errichten möchte. Das Theaterstück spielt zwischen dem 24. März und dem 5. April 1794: Die Rivalität zwischen Danton und Robespierre könnte Danton den Kopf kosten.

„Das Gewissen ist ein Spiegel, vor dem ein Affe sich quält“

Das „Kleine Theater Falkensee“ (www.kleines-theater-falkensee.de) feierte im November 2019 seine letzte Premiere im Falkenseer Kulturhaus Johannes R. Becher.

In der Corona-Zeit waren nur reduzierte Aktivitäten möglich. So wurde 2020 ein Einakter in der Kirche am Falkenhagener Anger aufgeführt, 2021 folgte ein Shakespeare-Abend.

Sebastian Eggers, im Theater für die Regie zuständig: „Dantons Tod ist für uns die erste große Mehrakter-Aufführung seit der Corona-Pandemie. Wir haben alle seit März geprobt, erst noch per Zoom, ab April, Mai dann im Kulturhaus Johannes R. Becher. In der Zeit wurde unser Theaterraum komplett umgebaut. Wir haben jetzt einen neuen Boden. Die störenden Zwischenwände sind auch weg, sodass der Raum größer geworden ist. Wir haben Platz für 70 Zuschauer. Da wir für ‚Dantons Tod‘ die Bühnenfläche vergrößert haben, gab es bei diesem Stück Platz nur für 50 Zuschauer. Wir haben für den November acht Aufführungen eingeplant. Es hat uns sehr gefreut, dass wir gleich am Startwochenende ausgebucht waren.“

„Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen“

Das neue Stück, das auf „Faust“ und „Macbeth“ folgt, dauert zwei Stunden, eine Pause ist nicht eingeplant.

Es dauert keine zwei Minuten und die Darsteller liegen so gut wie nackt auf dem Boden der Bühne, um sich im hedonistischen Rausch am Liebesspiel zu erfreuen. Das ist schon ein kleiner Schock für die Zuschauer, die keinen Meter von der sich wogenden Masse der Leiber entfernt sitzen. So wird Danton als Figur eingeführt.

Wie heißt es so schön dazu im Programmheft: „Zehn Darsteller stürzen sich in den Text von Georg Büchner, erforschen ihn mit ihren Körpern und finden zeitgenössische Bezüge. So wird das 1835 geschriebene Drama, das die Schattenseiten der Französischen Revolution beleuchtet, elegant und experimentell mit dem Heute kontrastriert.“

Ohne großes Bühnenbild, oft nur mit unterschiedlichen Kleidern und nackter Haut in neue Rollen schlüpfend, bringen die meist noch sehr jungen Darsteller Leben in das sperrige Stück. Oft müssenPaula Wagner, Joseph Birke, Lydia Ruhnke, Franziska Schlüter, Maurice Ryba, Jakob Leschke und Tim Luther sogar in Doppelrollen schlüpfen, um den Personenkanon des Stücks bedienen zu können.

Das gelingt vor allem Sebastian Maihs einmal mehr in Perfektion. Er spielt den Danton ebenso wie den Robespierre. Brüllend, greinend, zweifelnd, fordernd, lüstern, kalt und fanatisch zeigte er ein Schauspiel auf allerhöchstem Level. Damit dominiert er allerdings auch die Bühne und drängt die anderen Schauspieler ungewollt in die zweite Reihe.

Büchners Sprache ist unfassbar komplex. Jeder einzelne Satz ist verdichtete Essenz und steckt voller kräftiger Aussagen. Ein auch nur kurzes Weghören kommt da einer Aufgabe gleich: Wer nicht permanent konzentriert ist, verliert bei „Dantons Tod“ schnell den Faden. Das ist hier noch stärker der Fall als bei „Macbeth“ oder „Faust“. Insofern ist „Dantons Tod“ eine äußerst schwere Kost, das ist nichts für leichte Köpfe, die keine Lust auf eine historische, gesellschaftliche und intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Stoff haben.

„Wer in einer Masse, die vorwärts drängt, stehenbleibt, leistet so gut Widerstand, als trät‘ er ihr entgegen: er wird zertreten.“

„Dantons Tod“ fordert den Zuschauer als historisches Stück mit seinen komplexen Dialogen über alle Maßen. Ganz in diesem Sinn wäre es gut gewesen, es dabei zu belassen.

Der Versuch, hier auch noch zeitgenössische Exkurse in die Jetztzeit mit dem Ansatz „Das Volk leidet immer“ mit einzubinden, überfordert den Zuschauer. Der so etwa in das Theaterstück mit eingebettete Text „Friedliche Sabotage“ von Tadzio Müller ist bereits in gedruckter Form so schwer verständlich, dass er in gesprochener Form kaum noch die Hirne der Zuschauer erreichen kann. (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 201 (12/2022).

Der Beitrag Kleines Theater Falkensee spielt Dantons Tod: Schwere dramaturgische Kost im Falkenseer Kulturhaus! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).


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