Wenn man von Falkensee nach Schönwalde-Glien fährt und gleich nach der Brücke, die über einen kleinen Fluss führt, den Blick nach links schweifen lässt, dann entdeckt man Weiden, die fast bis zum Horizont reichen. Hier stehen gewaltige Rinder mit langen Hörnern und einer struppigen Zottelmähne, wie man sie aus keinem deutschen Kuhstall her kennt. Rüdiger Rausch (65) und seine Frau Antje züchten vor Ort schottische Hochlandrinder, die auch Highland Cattle genannt werden.
Das schottische Hochlandrind ist die älteste registrierte Viehrasse (1884) der Welt. Seit etwa 200 Jahren wird sie komplett unverändert in Schottland zur Rinderzucht eingesetzt. Erst seit 1975 kann man diese besonders ursprünglichen Tiere auch in Deutschland erleben.
Rüdiger Rausch baut mit seiner Firma „Rausch Straßen- und Tiefbau GmbH“ Straßen im Havelland und in Berlin. Die Rinder sind ein Freizeitausgleich für ihn und seine Frau. Die Herde nennt sich „Falkenseer Highland Cattle vom Langer Horst“.
Viele Havelländer haben ihre Freude an den gemütlichen Tieren, die keinen Stall von innen kennen und Tag und Nacht im Freien auf der Weide stehen. So wünscht man es jedem bovinen Wiederkäuer, dass sein Leben – vor dem finalen Weg zum Schlachter – ein ganz natürliches ist.
2010 fing alles an – mit drei Kühen und einem Bullen. Antje Rausch erinnert sich: „Wir wollten gern Rinder züchten, waren uns bei der Rasse aber noch nicht ganz sicher. Mein Mann wollte eigentlich Galloways anschaffen. Dann waren wir aber auf der Grünen Woche und haben dort die Highland Cattle gesehen. Da dachte ich gleich: Die sehen aber toll aus. Wir waren uns daraufhin sofort einig. Und haben die Entscheidung nie bereut. Es sind tolle Tiere. Ich kämme sie übrigens alle regelmäßig, damit das Fell schön glatt bleibt.“
Rüdiger Rausch: „Ich habe viel gelernt über die Tiere. Ich werde nie wieder ‚doofer Ochse‘ oder ‚dämliche Kuh‘ zu jemandem sagen. Das würde den Tieren nicht gerecht werden. Sie sind auf ihre Weise sehr schlau, zeigen ein ausgeprägtes Sozialverhalten und haben ganz individuelle Charakterzüge. Alle unsere Tiere haben übrigens einen Namen. Und viele hören auch auf ihn, wenn wir ihn rufen. Vor allem, wenn wir Möhren in der Hand haben.“
Inzwischen lassen es sich 125 Tiere aus allen Altersklassen auf dem Weideland gut gehen. Der älteste Bulle ist zehn Jahre alt.
Vor Ort dreht sich alles um die Themen Regionalität, Nachhaltigkeit und Bio. Das Rausch-Ehepaar ist bereits seit Juli 2011 Mitglied bei Bioland.
Rüdiger Rausch: „60 Hektar Fläche haben wir eingezäunt. Das sind Dauerweiden, die sich durch die natürliche Beweidung in ein echtes Biotop verwandelt haben. Wir finden auf dem Gelände inzwischen seltene Orchideen, es gibt viele Bodenbrüter wie die Feldlerche und wir entdecken sogar seltene Vögel wie den Wiedehopf. Wir freuen uns auch über viele Hasen. Die Natur ist hier so im Gleichgewicht, dass ein Kuhfladen in nur drei Tagen komplett verschwunden ist. Erst kommen die Fliegen, dann die Vögel, dann die Pillendreher. Im Winter sammeln wir die Kuhfladen ein, trocknen sie und verkaufen sie als ‚Kacke in der Tüte‘ – z.B. als Blumendünger.“
Die schottischen Hochlandrinder stehen das gesamte Jahr über im Freien. Natürlich gibt es gegen die pralle Sonne einen Unterstand und ein paar Schatten spendende Bäumchen. Rüdiger Rausch: „Wir hatten aber auch schon schneereiche Winter. Da sieht man dann auf der Weide nur noch gewaltige Schneehügel, aus denen oben zwei lange Hörner herausragen.“
Die bis zu 900 Kilo schweren Tiere sind sehr friedlich und ruhig. Es ist fast wie Urlaub, wenn man sich an den Zaun setzt und ihnen beim gemütlichen Grasen zusieht.
Aber die Tiere sind auch sehr wehrhaft, wie Rüdiger Rausch erzählt: „So schnell rennen kann man gar nicht, wie es nötig wäre, um einer wütenden Mutterkuh auszuweichen, die ihr Kalb verteidigen möchte. Die Rinder haben ein ausgeprägtes Sozialverhalten. Bei einer Gefahr nehmen die Kühe ihre Kälber wie in einer Wagenburg nach innen und passen auf. So hat auch der Wolf, den wir hier durchaus schon gesehen haben, keine Chance.“
Antje Rausch kann keinem übermütigen Spaziergänger empfehlen, sich vor den schottischen Hochlandrindern an der tiktok-Challenge zu beteiligen und die Rinder erschrecken zu wollen: „Das mag nur derjenige versuchen, der ein paar Meter durch die Luft fliegen möchte.“
Aus diesem Grund sollten Hundebesitzer ihre Vierbeiner auch immer anleinen: Ein Ausflug auf die Weide könnte den bellenden Vierbeinern sonst schlecht bekommen. Rüdiger Rausch: „Da immer mehr Autos unseren Feldweg entlangfahren, werden wir wohl oben an der Straße eine Schranke aufbauen, um das zu unterbinden. Spaziergänger und Fahrradfahrer sind uns aber weiterhin sehr willkommen.“
Die Tiere sind sich das ganze Jahr über selbst überlassen, nur einmal im Jahr kommt der Tierarzt – zum „Bluten“. Dabei wird den Tieren eine Blutprobe entnommen, um herauszufinden, ob die Herde mit dem BHV-1-Virus infiziert ist – was bislang nie der Fall war.
Rüdiger Rausch: „Unsere Rinder erledigen auch das Kalben selbst. Nur ganz selten gibt es einmal eine Euterentzündung, die behandelt werden muss. Einmal im Jahr kommt der Klauenschneider. Ansonsten leben die Tiere von dem Gras auf der Weide. Nur im Winter füttern wir Heu von unseren eigenen Grünfutterwiesen hinzu. Da wir kein Kraftfutter einsetzen, braucht es bei uns nicht wie sonst üblich acht Monate, bis ein Tier schlachtreif ist, sondern ganze drei Jahre. Aber diese Zeit geben wir den Tieren gern. Das Fleisch hat am Ende eine ganz besonders feine Qualität. Es ist gut durchmarmoriert und so zart, dass man eigentlich nur eine Gabel braucht.“
Rüdiger oder Antje Rausch – einer der beiden ist eigentlich jeden Tag „draußen“ bei den Tieren. Zum einen, weil es einfach schön und entspannend ist. Aber natürlich auch, um zu schauen, ob die Zäune alle in Ordnung sind, ob ein Tier vielleicht krank ist oder ob sonst alles ok ist. Rüdiger Rausch: „Zusammen in den Urlaub fahren, das ist da gar nicht möglich. Melken müssen wir die Tiere ja zum Glück nicht. Aber einmal am Tag nach dem Rechten schauen, das muss schon sein.“
Etwas makaber, aber trotzdem wichtig: Schon bald wird auf dem Gelände auch ein Schild mit der Aufschrift „Uns gibt es auch als Hundefutter“ zu finden sein. Antje Rausch: „Wir verwerten das ganze Tier und haben deswegen auch frischen Pansen und Fleisch als Hundefutter im Angebot, was wir an Hundebesitzer verkaufen können. Besonders schöne Winterfelle lassen wir gerben und verkaufen sie ebenfalls weiter. Auch die Hörner sammeln wir. Wir machen aus ihnen Trinkhörnern, die sich auf Mittelalterfesten verkaufen lassen.“
Und natürlich ist die Familie Rausch selbst ihr bester Kunde. Rüdiger Rausch: „Wir kaufen eigentlich selbst kein Fleisch mehr ein, höchstens einmal Hühnchen in Bioqualität. Unsere eigenen Rinder kommen auch bei uns auf den Teller, vor allem das Hackfleisch hat einen ganz tollen Eigengeschmack. Aus diesem Grund geben wir auch immer zwei Tiere auf einmal in die Schlachtung. Damit wir selbst nicht wissen, welches Rind gerade bei uns auf dem Teller liegt.“
Antje Rausch: „Auf dem Weg zum Schlachter, da fließt schon einmal das ein oder andere Tränchen. Man baut ja auch eine Beziehung zu den Tieren auf. Mein Mann sagt immer: Die können mit den Augen sprechen. Wir mussten gerade erst Julie in die Schlachtung geben. Sie war 18 Jahre alt und uns sehr ans Herz gewachsen. Aber sie hatte die Knochen kaputt – Arthrose. Wir haben sie tränenreich erlöst.“
Die Nachfrage nach dem regionalen Bio-Fleisch ist nicht zuletzt durch Corona sprunghaft angestiegen. Bei der Vermarktung gibt es keinen Zwischenhändler. Rüdiger Rausch: „Wir haben eine Preisliste auf unserer Internet-Seite unter www.hc-vom-langer-horst.de. Wer Fleisch kaufen möchte, gibt eine Bestellliste ab. An besonderen Verkaufstagen – meist am Freitag und Samstag – habe ich den Kühlschrank mit Bestellungen gefüllt und die Kunden können das Fleisch in der Chemnitzer Straße abholen. Ich sage dabei gern immer wieder: Ein Rind besteht nicht nur aus Filet, Steaks und Rouladen. Es gibt ja auch noch Kugelbraten, Gulasch, die Rippen, Beinscheiben, Kochfleisch oder Ochsenschwanz, von den Markknochen ganz zu schweigen. Ganz toll sind die Hamburger Patties aus unserem eigenen Hackfleisch. Da schrumpft in der Pfanne nichts zusammen, die Patties bleiben so groß wie am Anfang. Wir bieten auch Wurst aus unserem Fleisch an. Sie wird auf Gut Hirschaue für uns hergestellt.“
Vor Ort werden regelmäßig Rinder für die Schlachtung ausgesucht, damit die Herde nicht zu sehr wächst. Wenn Schlachtwoche ist, wird ein Tier am Montag und eins am Mittwoch auf den Hänger verladen. Antje Rausch: „Ich locke die Rinder mit einer Mohrrübe auf den Hänger. Wir fahren dann nach Wusterhausen. Die Tiere werden absolut stressfrei noch auf dem Hänger betäubt und in der Fleischerei Ribbe entblutet und zerlegt. Donnerstag holen wir die Schlachtviertel ab und lassen sie bei einem Bekannten vier Wochen lang in der Reifekammer hängen.“
In Planung ist eine eigene Schlachtung mit Hofladen, der hoffentlich im Sommer 2021 in Falkensee Eröffnung feiern wird. Dann könnte vor Ort auch eine Dry Age Reifung mit hinzukommen. Rüdiger Rausch: „Die Baugenehmigung ist da, jetzt geht es um die Umsetzung. Der Hofladen wird in der Rheinsbacher Straße sein, da steht zurzeit noch eine Scheune. Ich denke, den Hofladen werden wir zwei Mal im Monat an einem Freitag für all die Kunden öffnen, die wie bisher auch ihr Fleisch online vorbestellt haben. Wir wollen halt keine Massenware verkaufen, sondern etwas Besonderes anbieten. Ich könnte mir auch gut vorstellen, zu besonderen Events in den Hofladen einzuladen.“
Bis es so weit ist, ist es für die Rausch-Eheleute das Schönste, ihre Rinder zu besuchen und den Blick schweifen zu lassen. Rüdiger Rausch: „Wenn manchmal morgens der Nebel über der Wiese liegt und die Tiere knietief im Nebel stehen, das ist schon ein toller Anblick.“
Damit ihnen die Arbeit nicht zu viel wird, suchen die Rauschs nun nach einem Helfer aus der Landwirtschaft, der ihnen zur Hand geht. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 173 (8/2020).
Der Beitrag Rinderglück: Rüdiger und Antje Rausch aus Falkensee züchten Highland Cattle! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.