In Zeestow erhält das lange brachliegende Rittergut zurzeit sehr viel Aufmerksamkeit. Die beiden Unternehmen terraplan und Wittfoth Bau möchten hier den Schulterschluss wagen, um das Rittergut Zeestow gemeinsam auszubauen. 200 neue Bewohner sollen so eine neue Heimat in Zeestow bekommen. Vor dem endgültigen Kauf holten sich die Bauexperten noch den Segen der Gemeinde: Sie stellten das Projekt auf einer öffentlichen Sitzung des Ortsbeirats vor.
Das alte Rittergut Zeestow, in dem früher einmal viele Generationen lang die Familie von Bredow gelebt hat, liegt gleich hinter der Kirche im kleinen Brieselanger Ortsteil Zeestow. Beim Rittergut handelt es sich um einen klassischen Vierseithof. Dieser allerdings wird schon lange nicht mehr genutzt und liegt mehr oder weniger brach.
Nun steht das Gelände zum Verkauf und eine Bebauung steht an. Ralf Heimann, Bürgermeister von Brieselang: „Diese Fläche wird verkauft und diese Fläche wird bebaut werden. Es ist nur noch die Frage, wie. Ein Projektangebot gab es bereits, da wollte der Investor das gesamte Gelände zusammenschieben, um anschließend kleine 99-Quadratmeter-Häuser auf der Fläche zu errichten. 99 Quadratmeter deswegen, weil dann nur ein einzelner Stellplatz pro Haus nachgewiesen werden müsste, obwohl eigentlich zwei Stellplätze pro Haus gebraucht werden.“
Diese Idee ist vom Tisch, denn nun haben die Unternehmen terraplan und Wittfoth Bau eine Option darauf, das Grundstück zu erwerben. Sie suchten noch vor dem eigentlichen Kaufabschluss den Kontakt mit den Zeestowern und stellten ihr Konzept für den Ausbau am 27. Februar auf einer Sitzung des Ortsbeirats vor. Über 50 Zeestower nutzten die Gelegenheit, um den anwesenden Investoren zuzuhören. Bürgermeister Ralf Heimann: „Ich bin persönlich sehr zugetan von dem Projekt und freue mich auf die Umsetzung.“
Das Nürnberger Unternehmen terraplan ist in der Region nicht unbekannt. Es hat sich darauf spezialisiert, historische Gebäude, die lange vernachlässigt wurden, so unter Erhalt der Kernstrukturen und der oftmals denkmalgeschützten Bausubstanz auszubauen, dass Menschen hier ein neues Zuhause finden können. Aktuelle Projekte von terraplan sind der Ausbau des Olympischen Dorfes von 1936 in Elstal und die Umgestaltung des alten Gaswerks in Nauen.
Mit der Potsdamer Firma Wittfoth Bau arbeitet terraplan schon sehr lange erfolgreich zusammen. Wittfoth Bau kümmert sich zurzeit auch um die Entwicklung und Sanierung der Brauerei Kerkow in Nauen.
Beim Rittergut Zeestow wird sich das Unternehmen Wittfoth Bau um die Baumaßnahmen und terraplan um die Vermarktung kümmern. Tim Schmitt von der Firma Schmitt von Holst Architekten aus Berlin wird die Architekturpläne ausarbeiten. Er ist auch im Olympischen Dorf mit involviert und plant hier zurzeit die Neubebauung mit 20 Häusern.
Rittergut Zeestow: Alte Substanz erhalten und Neues dazu bauen
Um den Charakter der ehemaligen Gutshofanlage zu erhalten, sollen die noch bestehenden drei langgezogenen Gebäude des Vierseithofs erhalten, saniert und zu Wohnungen umgewidmet werden. Auf der Ostseite würde man die bestehende Lücke mit drei kleinen Doppelhäusern schließen, um auf diese Weise wieder einen großzügigen grünen Innenhof zu schaffen.
Die bestehenden Häuser des Vierseithofs wurden damals in einer Fachwerkbauweise errichtet. Erik Roßnagel von terraplan: „Wir könnten die neuen Gebäude passend dazu in einer Holzrahmenbauweise errichten, um auf diese Weise ein CO2-neutrales Bauprojekt anzustreben.“
In südlicher Richtung, zum Kirschenweg hin, soll der Vierseithof erweitert werden. Hier käme noch ein zusätzliches „Dreieck“ aus verschiedenen Wohngebäuden und Mehrfamilienhäusern hinzu.
Wie man es von terraplans Philosophie bei ihren Bauprojekten her bereits kennt, sollen viele verschiedene Wohntypen entstehen. 90 Häuser und Wohnungen sind geplant, die zwischen 45 und 120 Quadratmeter Wohnraum bieten sollen. Hier finden Familien ein neues Zuhause, aber auch ein Mehrgenerationswohnen wird angeregt. Erik Roßnagel: „Es sind auch kleinere Wohnungen für Singles vorgesehen, etwa für junge Leute aus Zeestow, die Zuhause ausziehen möchten, ohne dafür gleich den Ort verlassen zu müssen. Und wir denken an die Senioren, die sich im Alter verkleinern möchten und eine barrierefreie Wohnung in ihrer Nachbarschaft suchen. Wir haben eine Ergänzungsbauweise zu der in Zeestow dominierenden Einfamilienhausbauweise im Sinn.“
Geplant sind vor Ort Zweigeschösser plus Satteldach, die so ausgerichtet sind, dass die bestehenden Nachbarn auf der Westseite nicht allzu sehr „unter Beobachtung stehen“. Ergänzt werden sollen die Wohnungen übrigens um eine Tagespflege und eine betreute WG für Menschen (nicht nur) mit Demenz. Wichtig ist den Bauexperten auch ein kleiner Dorfladen, in dem es eine Einkaufsmöglichkeit für wichtige Dinge des Alltags gibt. Vielleicht bietet ein solcher Dorfladen auch Platz für ein Café mit Kaffeeausschank.
Die Parkplätze sind noch ein Problem. Die Erschließung des Ritterguts soll vom Kirschenweg aus erfolgen. Eine halbtiefe, offene Tiefgarage könnte die Autos aufnehmen. Erik Roßnagel: „Die Tiefgarage wird aber nicht reichen, sodass wir auch vor den Häusern noch Parkplätze schaffen müssen. Wir denken auch über ein Carsharing mit E-Autos nach. So könnten einige Autos für alle gleichermaßen nutzbar sein, um so den Bedarf etwa an einem Drittauto in den Familien zu senken.“
Bis zu 200 neue Zeestower könnten im Rittergut ein neues Zuhause finden. Ortsbeirat Harald Brockmann: „Damit würden wir uns ja glatt verdoppeln!“
Trotzdem schlug den Planern keine Ablehnung entgegen. Sie holten stattdessen die Zeestower geschickt auf ihre Seite. Denn das umgebaute Rittergut hat das Potenzial dazu, so etwas wie ein neues Ortszentrum zu werden. Im Hof der beiden Areale bleibt ausreichend Platz, um einen schönen Spielplatz für die Kinder und viele Durchwegungen auch für die Nachbarn zu schaffen. Frank Wittfoth: „Alle sind uns hier willkommen. Unsere beiden Innenhöfe können ein Treffpunkt werden. Wir möchten mit dem Rittergut gern den Dorfeingang nach Zeestow neu gestalten.“
Photovoltaik und Blockheizkraftwerk
Um die neuen Bewohner mit Energie zu versorgen, könnten die nach Süden hin orientierten Dächer mit Photovoltaikelementen versehen werden. Hinzu kommt ein Blockheizkraftwerk mit Nahwärmeversorgung, das mit Gas betrieben wird. Hier erging auch gleich das Angebot an die Zeestower, sie gleich mit an eine neu zu verlegende Gasleitung anzuschließen.
30 bis 32 Millionen Euro sollen in Zeestow investiert werden. Damit das gelingt, muss allerdings der Bebauungsplan für das 15.000 Quadratmeter große Gelände noch einmal angefasst werden. Sollte das schiefgehen, weil die Zeestower Einwände äußern, wäre es aber zu spät, wenn terraplan und Wittfoth Bau das Grundstück bereits gekauft haben.
Erik Roßnagel: „Deswegen ist es uns so wichtig, dass wir schon vor dem Kauf die Zustimmung der Zeestower haben.“ Am Ende der Ortsbeiratsitzung bat er sogar um Handzeichen, wer für das Bauprojekt ist. Glück gehabt: Fast alle Hände gingen nach oben.
Wie könnte es nun weitergehen? Zunächst muss der Bebauungsplan geändert werden. So ein Vorgang dauert im besten Fall ein Jahr. Erik Roßnagel: „Der früheste Baubeginn könnte in anderthalb bis zweieinhalb Jahren sein. Wir würden versuchen, das ganze Areal in drei Jahren von hinten nach vorn in einem Rutsch zu bebauen. Dann könnten wir 2026 bezugsfertig sein.“
Bei den Mietpreisen wolle man sich an Elstal und dem Olympischen Dorf orientieren und Quadratmeterpreise zwischen 9,50 und 10,90 Euro aufrufen. (Text: CS / Fotos: CS und terraplan)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 181 (4/2021).
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