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Channel: Seite 85 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Stadtspaziergang: Auf der (historischen) Suche nach einem Zentrum in Falkensee!

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Das Falkenseer Zentrum will einfach nicht so recht entstehen – so mancher Bürger sucht es vergebens. Um es in Zukunft besser verorten zu können, ist in der Gartenstadt die „Lenkungsgruppe Innenstadt Falkensee“ an den Start gegangen. Sie überrascht mit der neuen Idee der „Stadtspaziergänge“, an der sich die Bürger kostenfrei beteiligen dürfen. Der erste Spaziergang mit Museumschefin Gabriele Helbig heftete sich auf die Spuren des historischen Dorfes Seegefeld.

Die „Lenkungsgruppe Innenstadt Falkensee“ tritt an, um neue Impulse für die künftige Entwicklung der Falkenseer Innenstadt zu setzen. Die „Interessengemeinschaft Falkensee“, die „Arbeitsgruppe Zentrum“, der Senioren- und der Jugendbeirat, der Beirat für Teilhabe, die Wirtschaftsförderung der Stadt Falkensee und noch einige schlaue Köpfe mehr überlegen in diesem Umfeld, wie sich die Attraktivität des Falkenseer Zentrums verbessern lässt.

Eine überraschende Idee, weil sie für viele Bürger so ganz plötzlich aus dem Nichts kam, sind die „Stadtspaziergänge“, die am 15. August ihr Debut feierten – und nun noch einige Male mit anderem Grundgedanken fortgesetzt werden sollen.

Den Start machte die Museumschefin Gabriele Helbig. Sie war erstmals nicht mit dem Bus, sondern zu Fuß unterwegs, um interessierten Bürgern die Geschichte der Stadt Falkensee näherzubringen – mit dem Zentrum unter der historischen Lupe. Am 12. September geht es weiter mit den beiden Vorlesern Hans Heinrich Hardt und Uwe Pfauder, die zu einem literarischen Spaziergang durch das Stadtzentrum einladen. Am 25. September wird es einen Fotomarathon geben – mit kreativen Fotoaufgaben im Zentrum, einer Jury-Prämierung und einer sich anschließenden Ausstellung. Die Kräuterfee Tina zeigt den Spaziergängern dann am 9. Oktober, welche Wildkräuter im Zentrum der Stadt wachsen. Und anschließend soll es am 24. Oktober eine Entdeckertour für Kinder geben, die von der Naturrangerin Daniela Erler angeleitet wird. Auf einer Schnitzeljagd durch das Zentrum erfahren die Kinder, wie viel Natur es in der Stadt zu entdecken gibt. Alle geplanten Stadtspaziergänge sind kostenfrei, in die Anzahl ihrer Teilnehmer aber limitiert. Um mitzumachen, muss man sich unter www.falkensee.de/stadtspaziergang anmelden. Erst danach wird der Treffpunkt für die jeweilige Veranstaltung verraten.

Gutshaus, alte Stadthalle, Bibliothek: mit Gabriele Helbig unterwegs

Am 15. August fanden sich über zwanzig neugierige Havelländer auf dem großen Parkplatz an der Bahnhofstraße gleich neben der Seegefelder Kirche ein, um zusammen mit Gabriele Helbig einen anderthalbstündigen Spaziergang durch das Falkenseer Zentrum zu unternehmen und dabei auf historische Spurensuche zu gehen. Birgit Würdemann von der complan Kommunalberatung war als Kopf des Zentrumsmanagements ebenfalls mit dabei: „Wir möchten die Menschen mit den Stadtspaziergängen dazu bewegen, Falkensee einmal mit ganz anderen Augen zu sehen. Was liegt da näher, als mit einer historischen Tour zu beginnen.“

Gabriele Helbig freute sich über ihr Debut, eine historische Rundreise durch den Ort auch einmal zu Fuß zu wagen. Sie hatte elf Fotografien mit dabei, die sie an wichtigen Orten herumreichte. Denn nicht alles, über das es sich zu sprechen lohnte, war noch „in real“ zu sehen. So gibt es in Falkensee etwa einen Gutspark, aber kein dazu passendes Gutshaus mehr. Dabei steht man auf dem Parkplatz eigentlich direkt über den alten Kellergewölben.

Gabriele Helbig: „Wir vermuten, dass das Gutshaus so um 1690 herum errichtet wurde. Es war der Familiensitz derer von Ribbeck, wobei hier eine andere Familienlinie gewirkt hat als die Ribbecks, die man aus dem Ort Ribbeck kennt. In der Zeit des Nationalsozialismus hatte die NSDAP-Ortsgruppe Falkensee hier ihren Sitz. Das Gutshaus schaffte es ohne Beschädigungen durch den Zweiten Weltkrieg, wurde aber 1959/60 vollständig abgerissen.“

Als das Gutshaus erbaut wurde, gab es übrigens noch gar kein Falkensee. Es stand in Seegefeld. Das wiederum in Nachbarschaft zum Ort Falkenhagen lag. Der Schlaggraben trennte beide Orte, die Kinder reimten dazu: „Seegefeld und Falkenhagen – sind getrennt durch einen Graben.“ Falkensee als Ort ist erst 1923 entstanden – und zwar durch den Zusammenschluss der beiden Dörfer. Der Name „Falkensee“ ist also ein Kunstwort. Gabriele Helbig: „Da Falkensee aus zwei Orten besteht, ist es so schwierig, jetzt ein gemeinsames Zentrum zu entwickeln. Es gab ja historisch gesehen nie eins.“

Seegefeld als Ort wurde erstmalig 1265 erwähnt. Das älteste Gebäude vor Ort ist die Seegefelder Kirche, die zum Teil aus Bauteilen aus dem 14. Jahrhundert besteht. Gabriele Helbig: „Unter der Kirche gibt es eine nicht mehr zugängliche Gruft. Hier liegt Hans Georg der Fünfte von Ribbeck mit seiner Familie begraben. Eine Mär sagt übrigens, dass es einen unterirdischen Gang gibt, der die Kirche mit dem Gutshaus verbunden hat.“

Direkt auf dem Parkplatz soll ein mehrstöckiger Neubau mit Geschäften und Wohnungen entstehen – so hoch wie die nebenstehende Kirche. Doch bevor hier die Baukräne loslegen können, muss erst noch die alte Stadthalle abgerissen werden. Gabriele Helbig: „Die alte Stadthalle wurde aber gerade erst in die Denkmalschutzliste des Landes Brandenburg aufgenommen. Unser Bürgermeister versucht, das wieder rückgängig zu machen.“ Denn nur dann lässt sich das „Zentrum“ in der geplanten Weise weiter verändern.

Mit dem Bau der alten Stadthalle wurde übrigens 1974 zu DDR-Zeiten begonnen. Es war kein Planbau, sondern ein Initiativbau. Lokale Betriebe hatten das Material und Arbeitskräfte gestellt. Selbst die Schüler wurden eingesetzt, um Ziegel zu brennen. Zehn Jahre hat der Bau gedauert, 1984 war Eröffnung. Gabriele Helbig: „Als ich hier zum ersten Mal auf gefedertem Parkett stand, dachte ich, ich bin im Westen. In der alten Stadthalle ist nun 30 Jahre lang nichts passiert. Betritt man sie, ist das wie eine Zeitreise in die Vergangenheit.“

Einen so originalen DDR-Bau wie die alte Stadthalle gibt es heute kaum noch. Da versteht man die Denkmalschützer schon, dass sie die Sporthalle samt Kopfbau gern erhalten möchten. Für die meisten Falkenseer ist die Halle hingegen ein reiner optischer Schandfleck, der besser heute als morgen komplett verschwinden sollte.

Steht man vor der Kirche (mit der Bahnhofstraße im Rücken), so zeigt sich zur rechten Seite der alte Dorfanger von Seegefeld – auch wenn man ihn heute gar nicht mehr auf Anhieb als solchen erkennt. Helbig: „Es gab sogar einmal einen Weiher auf der Fläche. Er wurde aber nicht mehr gepflegt und trocknete aus.“

Die Museumsleiterin sieht Falkensee als einen „Ort ohne einheitliche Architektur – und das geht schon seit hundert Jahren so.“ Ein Beispiel dafür ist der rote Klinkerbau der Stadtbibliothek, die zwischen Europaschule am Gutspark und neuer Stadthalle wie ein Fremdkörper wirkt: „Das war eigentlich einmal die 1902 erbaute Dorfschule. Das Gebäude wurde mehrfach verändert und um mehrere Anbauten ergänzt. Wie fast alles, was in Falkensee gebaut wird, war die Schule aber schon bald wieder viel zu klein. Das sieht man überall in Falkensee – es muss immer noch einmal angebaut werden. Auch der neue Busbahnhof ist jetzt schon wieder zu klein.“

Am Bahnhof wünscht sich Gabriele Helbig eine Visitenkarte für den Ort: „Falkensee ist die sechstgrößte Stadt in Brandenburg. Wenn man aus dem Zug steigt, merkt man das aber nicht.“ Es fehlt vor Ort der Blick auf eine prägende Architektur, die dem Reisenden klar mitteilt, in was für einer Art Stadt er sich gerade aufhält.

Vielleicht ist genau dies noch immer das Problem mit dem Falkenseer Zentrum: Es fehlt eine klare Struktur. Stattdessen gibt es ein Kuddelmuddel aus Alt und Neu, das mehr schlecht als recht zusammengefügt noch immer die Aufenthaltsqualität mindert. Da hat die Lenkungsgruppe noch viel Arbeit vor sich. (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 186 (9/2021).

Der Beitrag Stadtspaziergang: Auf der (historischen) Suche nach einem Zentrum in Falkensee! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).


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