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Channel: Seite 85 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Der Ammen-Dornenfinger in Falkensee

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ammen2Viele Jahrzehnte lang hatte kein kundiger Biologe Angst vor Spinnen in Deutschland. Denn die einzige Spinne, die für den Menschen in medizinisch relevanter Weise giftig war, ist die Wasserspinne. Sie ist sehr selten und kommt vor allem in Moorstichen vor – unter der Wasseroberfläche.

Ob Winkelspinne, Kreuzspinne oder Wespenspinne: Die einheimischen Arten sind weder giftig noch aggressiv noch kommen sie mit ihren Celiceren (=Giftzähne) durch die menschliche Haut.

Im Zuge der Klimaerwärmung ist allerdings der Ammen-Dornenfinger aus Südeuropa nach Deutschland eingewandert. In Falkensee, Brieselang, Dallgow-Döberitz und Schönwalde ist diese Giftspinne nicht nur vereinzelt anzutreffen, sondern mitunter in erschreckend hohen Mengen. Es gibt Fundstellen in Falkensee, an denen sich auch in diesem Jahr wieder gleich mehrere ausgewachsene Tiere pro Quadratmeter finden lassen. Da diese eingewanderte Spinnenart keine bedeutsamen natürlichen Feinde hat, ist davon auszugehen, dass sie sich auch weiterhin rapide ausbreitet.

Der Ammen-Dornenfinger unterscheidet sich im Verhalten und im Aussehen deutlich von allen anderen Spinnenarten, sodass er leicht zu identifizieren ist.

Zunächst zu den möglichen Fundorten. Die Spinnen sind fast ausschließlich auf trockenen Wiesen zu finden, auf denen die Gräser und die Kräuter bis in Knie- und Hüfthöhe aufgeschossen sind. Man spricht hier von Hochstaudenwiesen. Diese Wiesen sind im Havelland zuhauf zu finden – eigentlich an jeder Ecke.

Der Ammen-Dornenfinger webt keine Netze. Er ist ein schneller Jäger, der in der Nacht „zu Fuß“ auf Beutefang geht – und sich zur Zeit problemlos an den Grashüpfern der Wiese sattessen kann. Bei diesen Beutezügen kann sich der Ammen-Dornenfinger bis in menschliche Behausungen verirren.

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Interessanter ist: Den Tag verbringen die Spinnen in Ruhenestern, die sie an den Spitzen der Gräser und Kräuter weben. Dazu biegen sie die Spitze um und weben dann eine weiße Glocke ein, in der sie regungslos verharren. Diese weißen Gespinste fallen dem interessierten Beobachter schnell auf, wenn er den Blick über die Spitzen der Vegetation einer Wiese schweifen lässt. Zieht man einen solchen Unterschlupf mit den Fingern auseinander, krabbelt eine ziemlich aufgebrachte und aggressive Spinne hervor.

Ab August, September fertigen die Weibchen ebenfalls in der Höhe riesige Brutnester an, wobei sie gleich mehrere Pflanzen zusammenbinden. Diese Brutnester sind kaum zu übersehen, zumal sie Hühnerei- bis faustgroß sein können. Die Mutterspinne bewacht die Eier und später die geschlüpften Spinnen wie eine Amme – daher rührt auch ihr Name her.
Hunde oder Kinder, die durch eine Hochstaudenwiese toben, zerreißen oft die Ruhe- oder Brutnester der Spinne – und provozieren so einen Biss.

Vom Aussehen her ist der Ammen-Dornenfinger leicht zu erkennen. Die Spinnen haben einen gelben bis olivgrünen Hinterleib (der oft mit einem Längsstreifen versehen ist), einen orangenen Brustschild und einen signalroten Kopf. Die extrem langen und knallroten Celiceren, die sich noch zu doppelter Größe ausklappen lassen, laufen zur Spitze hin ebenholzschwarz zu. Die gewaltigen Gifthauer stechen problemlos sogar noch durch eine Jeans hindurch – und perforieren menschliche Haut mit Leichtigkeit. Die Männchen sind deutlich größer und aggressiver als die Weibchen.

Ein Biss des Ammen-Dornenfingers ist nicht ohne. Er wird im besten Fall mit einem Wespenstich verglichen. Geschwollene Lymphknoten, Schüttelfrost, Schwindel, Erbrechen und Kreislaufprobleme können weitere Folgen sein. Allergische Überreaktionen und Blutvergiftungen in Folge eines Bisses kamen auch schon vor. Unser Leser Klaus Rieger beschreibt den Biss so: „Es war, als ob eine brennende Zigarette auf meiner Hand ausgedrückt würde!“

Beim unbeschwerten Spaziergang durch hohe Wiesen ist also dringend zu etwas Vorsicht geraten. (Fotos/Text: Dipl.-Biol. Carsten Scheibe).

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Der Beitrag Der Ammen-Dornenfinger in Falkensee erschien zuerst auf Falkensee aktuell.


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