Es ist noch gar nicht so lange her, da mussten die Schüler zwingend auf gute Noten achten, um bei der Auswahl für eine Ausbildungsstelle berücksichtigt zu werden. Heute hat sich die Situation umgekehrt: Die Betriebe haben offene Stellen – und Mühe, sie zu besetzen. Also unternehmen sie zurzeit größte Anstrengungen, um sich den möglichen Mitarbeitern von morgen in einem besonders guten Licht zu präsentieren.
Am 10. Januar fand ganz in diesem Sinne die „Börse für Ausbildung und Studium“ (www.ausbildung-im-havelland.de) bereits zum neunten Mal im Erlebnispark Paaren (www.erlebnispark-paaren.de) statt. Erneut wurden viele Schüler aus dem ganzen Havelland mit Bussen nach Paaren im Glien gefahren, um in den Hallen auf über einhundert Ausbildungsbetriebe aus der ganzen Region zu stoßen, die sich an ihren Ständen größte Mühe gaben, Interesse bei den Schülern zu wecken.
Roger Lewandowski, Landrat vom Havelland: „Schon im vergangenen Jahr haben wir die vom Landkreis organisierte Ausbildungsbörse um den Bereich Studium erweitert. Das war eine gute Idee, da wir so auch die Anbieter dualer Studiengänge mit ins Boot holen konnten. Als Zielgruppe sprechen wir gezielt Schüler der 9. und 10. Klassen an, die in eine Ausbildung drängen, und Jugendliche der Klassenstufe 11 bis 13, die sich für ein duales Studium interessieren. Wir freuen uns, dass so viele Betriebe aus dem Havelland an der Börse beteiligt sind, denn wir möchten die Schüler konkret darauf aufmerksam machen, welch vielseitige Ausbildungsangebote wir im Havelland haben. Unser Ziel ist es ja, die jungen Menschen im Havelland zu halten, sodass sie eben nicht nach Berlin oder in ein anderes Bundesland auswandern. Unsere Arbeitsgruppe hat die 9. Börse wieder ein ganzes Jahr lang vorbereitet. Der Landkreis wendet etwa 25.000 Euro für diese Veranstaltung auf – um die Schulen einzuladen, um die Anreise der Schüler mit ihren Lehrern in Bussen zu ermöglichen und um die nötige Infrastruktur im Erlebnispark Paaren sicherzustellen.“
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Für die 9. Börse für Ausbildung und Studium hatten sich in diesem Jahr 1.470 Schüler und 75 Lehrkräfte angemeldet. Das ist Rekord. Im vergangenen Jahr waren es noch 1.375 Schüler und 62 Lehrer. Die Anzahl der Aussteller bewegt sich mit 102 auf dem Niveau des Vorjahres. Neu sind allerdings Ausstellerbetriebe wie Pflanzen-Kölle, Hermes, TOI TOI & DIXI Sanitärsysteme oder dm Drogeriemarkt.
Landrat Roger Lewandowski: „Ich würde mir noch mehr Handwerksbetriebe unter den Ausstellern wünschen. Die haben doch zurzeit einen besonders starken Bedarf an neuen Mitarbeitern, die sie ausbilden können.“
Rainer Deutschmann, neuer Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Havelland: „Ich finde auch, dass die Handwerker auf der Börse schwach vertreten sind. Allerdings – sie haben einfach keine Zeit, die Auftragslage lässt eine Teilnahme nicht zu.“
Auf der Börse für Ausbildung und Studium boten sich die Unternehmen, Behörden und Institutionen den möglichen Auszubildenden und Studierenden von morgen an. Vor Ort wurden Kontakte geknüpft, Fragen beantwortet, Tipps gegeben. Roger Lewandowski: „Es ist nicht mit der Börse allein getan. Wichtig ist, dass die Jugendlichen mit Kontaktdaten nach Hause gehen und wissen, an wen sie sich konkret wenden können, sobald es ernst wird. Dabei geben sich die Firmen größte Mühe, um sich bei den Schülern vorzustellen. Havelbus ist wie schon im letzten Jahr sogar mit einem Bus in die Ausstellungshalle gefahren, um so Werbung für den Beruf des Busfahrers zu machen.“
Zur 9. Auflage der Börse hat sich der Landkreis etwas Neues einfallen lassen. Roger Lewandowski: „Wir hatten erstmals auch ein eigenes Seminarangebot für die Sekundarstufe II im Programm. Themen der Workshops waren etwa ‚Karrierewege mit Ausbildung‘, ‚Möglichkeiten und Angebote im Dualen Studium‘, ‚Studienberatung – Schule und dann?‘ sowie ‚Überbrückungsmöglichkeiten wie Freiwilligendienste, Work & Travel, Au-pair und Praktika‘. Es gab 225 Anmeldungen für die Seminare, da gab es einen hohen Informationsbedarf.“
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Simone Hirschmann, Bereichsleiterin Havelland der Bundesagentur für Arbeit: „Wir haben immer noch Mühe, die freien Ausbildungsplätze im Havelland zu besetzen. Zahlenmäßig haut es zwar theoretisch hin. Allerdings entscheiden sich viele Jugendliche, die nicht sofort den gewünschten Ausbildungsplatz bekommen, eher für ein Überbrückungsjahr als für einen Ausbildungsplatz, der ihnen nicht so sehr zusagt. Wir stellen zugleich fest, dass die Unternehmen im positiven Sinn sehr kreativ sind, was die Rahmenbedingungen für die Auszubildenden anbelangt.“
Im Havelland sind besonders viele Ausbildungsstellen in den Bereichen Fachkraft Lagerlogistik, Kaufmann im Einzelhandel, Berufskraftfahrer, Verkäufer und Kaufmann für Büromanagement offen. Bei den Top-Berufswünschen der Jugendlichen ist die Reihenfolge der Favoriten genau umgekehrt, da ist die Fachkraft für Lagerlogistik erst auf Platz 5 zu finden, während sie bei den offenen Stellen auf Platz 1 rangiert.
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Ein Aussteller der ersten Stunde auf der Börse ist der Bäcker Thonke. Der Familienbetrieb besteht seit 1926 in Rathenow – und betreibt in vierter Generation 56 Filialen, davon 47 in Brandenburg. Auf 4.000 Quadratmetern Produktionsfläche kümmern sich 120 Mitarbeiter um die tägliche Produktion der Brötchen, Brote, Kuchen und Torten. Philipp Thonke: „Bei uns ist das Backen noch immer ein Traditionshandwerk, allerdings mit modernen Maschinen und viel Technik. Ich wünsche mir, dass sich die Lehrer einmal unsere moderne Produktion anschauen. Mitunter habe ich das Gefühl, dass sie ihren Schülern sagen: Werde bloß nicht Bäcker, da musst du ganz früh aufstehen. Wir würden gern je drei Ausbildungsplätze in der Bäckerei und der Konditorei besetzen und etwa sechs bis zwölf im Verkauf. Die Bewerbungen sind da, allerdings nimmt die Qualität der Bewerbungen immer weiter ab. “
Bei der Auswahl neuer Auszubildender achtet Philipp Thonke nicht allein auf die Noten: „Wichtiger sind mir: Was sind die Hobbies? Was machen die Eltern beruflich? Jemand, der schlechte Noten in Mathe hat, sich aber bei der Feuerwehr engagiert, ist für mich interessant. Ich brauche Handwerker, praktisch denkende Mitarbeiter. Wir sehen es auch als unsere Aufgabe an, uns um sie zu kümmern. Wir begleiten die Jugendlichen auf dem Weg zum Erwachsensein und suchen dabei immer das Gespräch. Und wenn jemand gern in der Filiale in Dallgow-Döberitz arbeiten möchte, weil da auch die Freundin wohnt, dann finden wir schon einen Weg, um das möglich zu machen.“
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Kerstin Gädecke von der Falkenseer Fleischerei Gädecke suchte auf der Börse nach zukünftigen Auszubildenden für die Berufe Veranstaltungskaufmann, Fachverkäufer und Fleischer: „Die Ausbildung dauert drei Jahre. Für unsere Auszubildenen, die von weiter her zu uns kommen, halten wir sogar drei Zimmer bei uns bereit, die genutzt werden können. Kost und Logis sind für diese Auszubildenden dann frei. Wir sind sehr zufrieden mit der Börse, wir haben in den letzten Jahren immer wieder jemanden hier gefunden, der eine Bewerbung bei uns abgegeben hat. Unsere Franziska ist 2013 zu uns gekommen und hat 2016 ihre Ausbildung zur Fachverkäuferin abgeschlossen. Nun kümmert sie sich bei uns mit um den Partyservice. Dieses Jahr war schon ein Schüler hier, der hat sich für die Ausbildung zum Fleischer interessiert.“
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Manfred Seelke vom AutoService Seelke aus Seeburg: „Wir sind zum ersten Mal überhaupt auf der Börse. Wir bilden seit 15 Jahren aus und waren über die Jahre immer sehr verwöhnt. Früher haben wir stets um die 150 Bewerbungen bekommen, ohne dafür groß etwas tun zu müssen. Das hat sich geändert.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 155 (2/2019).
Der Beitrag 9. Börse für Ausbildung und Studium im Erlebnispark Paaren erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.